Auge um Auge - Thread VI

Kapitel 33

20.59 Uhr – Die Jagd beginnt!

 

Ziva hatte Tony´s Hand gehalten, bis die Sanitäter die Bahre mit ihrem Freund in den Krankenwagen geschoben hatten. Erst im letzten Moment hatte sie widerwillig losgelassen und machte Platz für McGee, der sich zusammen mit dem Notarzt neben Tony setzte. Sie blickte dem Krankenwagen, der eben mit Blaulicht den Hof verließ, noch einige Sekunden nach, dann wandte sie sich um - und suchte nach Aaron Rosen. Dort stand er! Ihre Augen schienen noch dunkler zu werden, als sie ihn fixierte. Langsam, fast wie ferngesteuert, setzte sie sich in Bewegung und ging auf ihn zu. Ihre Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten und ihr ganzer Hass auf Tony´s Peiniger konzentrierte sich in diesem Moment auf ihn. Als sie nur noch zwei Meter von dem Israeli entfernt war, spürte sie jedoch plötzlich eine Hand an ihrem Arm, die sie unerbittlich zurückhielt. Automatisch versuchte Ziva, sich loszureißen, ohne den Blick von Rosen zu wenden. In dieser Sekunde wollte sie nur eines, nämlich das Gesicht dieses Kerls zu Brei schlagen. Sie wollte ihm heimzahlen, was er und die anderen Tony angetan hatten.

 

„Ziva!“

 

„Lass´ mich los, ich muss diesen Kerl...!“ Wieder versuchte sie, sich aus dem Griff zu befreien, doch der Teamleiter ließ sich nicht so einfach abschütteln.

 

„Ziva...“ Eindringlich hatte Jethro dieses eine Wort ausgesprochen, doch nur langsam kam sie wieder zur Besinnung. „Er wird seine Strafe kriegen. Aber zuerst kommt er mit uns ins Hauptquartier zum Verhör.“ Mit einem Seitenblick zum stellvertretenden Direktor des Mossad, der neben ihm stand, fügte er hinzu: „Eli, bringen Sie sie weg!“

 

Ziva blickte ihren Boss an, als wollte sie im nächsten Moment wütend aufbegehren, dann aber nickte sie kaum merklich und antwortete ergeben: „Du hast Recht ...... ich bin okay. Mach dir keine Sorgen.“ Widerstandslos ließ sie sich schließlich von Eli wegführen, doch plötzlich wurde ihr bewusst, dass es ihr Vater war, der beschützend den Arm um sie gelegt hatte. Sie blieb auf der Stelle stehen und wand sich aus der Umarmung hinaus: „Papa, wieso bist du eigentlich hier?“, fragte sie ihn, und blickte ihr Gegenüber völlig verwundert an.

 

Eli wusste, eigentlich sollte er seiner Tochter sagen, dass er sich Sorgen um sie gemacht hatte. Schreckliche Sorgen um sein letztes Kind, aber Gefühle zu zeigen, war für ihn nach wie vor ein undenkbares Zeichen von Schwäche. Er hatte sich schon wesentlich weiter aus seiner Deckung gewagt, als er Israel Hals über Kopf verlassen und nach Washington geflogen war, um nach Ziva zu suchen, als er es sich bisher je zugestanden hätte. Jetzt war sie in Sicherheit und sofort ließ er den Ärger über sie wieder zu. Dass sie ohne zu überlegen ihr Leben riskiert hatte, um diesen DiNozzo zu retten... Für einen ausgebildeten Mossad-Agenten war ein solches Verhalten inakzeptabel und es wollte Eli nicht in den Kopf, dass ausgerechnet Ziva ihn so enttäuschte. Er selbst hatte ihr beigebracht, über solchen Dingen zu stehen, aber anscheinend hatte sie hier in Amerika alles vergessen, was ihr beim Mossad in Fleisch und Blut übergegangen war. „Wie konntest du das tun? Du hast dich freiwillig in die Hände der Rivkin´s begeben und damit dein eigenes Leben leichtfertig aufs Spiel gesetzt! Hast du das vielleicht beim Mossad gelernt?“ Als Ziva hartnäckig schwieg beantwortete er sich die Frage selber. „Natürlich nicht! Ich schätze, dein Verhalten resultiert daraus, dass du schon mehr Amerikanerin bist, als gut für dich ist.“ Die Worte kamen härter, als er gewollt hatte.

 

Entsetzt sah ihn Ziva an. Das konnte er nicht so meinen. Verstand er denn nicht, dass sie das hatte tun müssen? Für Tony? Er hatte doch gesehen, was sie mit ihm gemacht hatten. Resigniert ließ sie den Kopf hängen. Er würde sich eben doch nie ändern.

 

„Ziva David. Ich rede mit dir. – Diese unglückselige Geschichte zwischen dir und diesem Italiener… jetzt ist dir doch wohl hoffentlich klar geworden, dass das aufhören muss. Sofort! Dieser Typ ist nicht gut für dich!“

 

Entschlossen hob Ziva ihren Kopf und blickte ihrem Vater gerade in die Augen. „Vater, ich bin dir wirklich sehr dankbar für deine Hilfe, aber ich fürchte, du wirst nie verstehen, was Liebe bedeutet.“ Sie machte eine bedeutungsvolle Pause, bevor sie fortfuhr. „Ich möchte, dass du dich von jetzt an aus meinem Leben heraushältst und ich erwarte, dass du meinen Wunsch respektierst.“ Voller Bitterkeit wandte sie sich ab.

 

********

  

Währenddessen hatten Gibbs und Fornell noch mit kurzen Worten besprochen, wie die Aktion weiterlaufen sollte. Sie waren übereingekommen, dass Fornell mit seinen Leuten sämtliche Beweise im Haus sichern und auch die sofortige Suche nach Rebekka einleiten sollte. Umgehend hatte der FBI-Agent daraufhin seine Befehle erteilt. Alle Straßen im Umkreis des Hauses mussten gesperrt werden, Suchhunde wurden angefordert, um den umliegenden Wald abzusuchen. Außerdem hatte er einen Hubschrauber mit Wärmebildkamera herbeordert, der allerdings erst im Morgengrauen zum Einsatz kommen konnte. Jedem seiner Männer hatte er äußerste Wachsamkeit eingebläut - der Tod des jungen FBI-Beamten hatte ihm schwer zugesetzt. Die Bürde, dessen Frau mitteilen zu müssen, dass ihr Mann nicht wiedergekommen würde, lastete wie ein zentnerschwerer Stein auf seinen Schultern. Insgeheim war er sogar ein wenig froh, dass er diese undankbare Aufgabe noch ein wenig vor sich herschieben konnte.

 

Inzwischen hatte Gibbs Aaron Rosen in sein Auto verfrachtet. Ziva nahm auf dem Vordersitz Platz, nachdem Jethro ihr noch einmal unmissverständlich klar gemacht hatte, dass sie den Gefangenen weder anfassen, ansehen oder ansprechen durfte. Eli stieg hinten ein und setzte sich neben den jungen Israeli. Der stellvertretende Direktor des Mossad blickte Rosen nur einmal kurz von der Seite an, aber dieser Blick genügte bereits, um bei Aaron den Angstschweiß ausbrechen zu lassen. Er fühlte wie sich kleine Tröpfchen auf seiner Oberlippe sammelten und sein Oberhemd trotz der nasskalten Temperatur feucht am Rücken klebte. Nicht zum ersten Mal in den letzten Tagen wünschte er sich, er hätte sich nie auf die Rivkin´s und ihre vollkommen verrückte Racheaktion eingelassen, aber jetzt war es definitiv zu spät für Reue. Der einzige Vorteil an seiner jetzigen Lage war, dass er ein Gefangener der Amerikaner war. Wäre umgekehrt Eli David für ihn zuständig… besser, er malte sich diese Möglichkeit nicht aus.

 

 

21.07 Uhr – Auf der Straße nach Woodbridge

 

Im sicheren Dunkel des Waldes überlegte Rebekka, wie sie am besten verschwinden konnte. Ziellos durch den Wald zu irren, bis Hunde ihre Spur aufnehmen würden, verwarf sie augenblicklich. Und dass Hunde kommen würden, nahm sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an. Sie musste schnellstmöglich aus diesem Wald raus und… ja, genau, sie brauchte ein Auto! Garantiert hatte die Suche nach ihr bereits begonnen. Als erstes würde das FBI dafür sorgen, dass die Straßen gesperrt wurden und deshalb musste sie schnell handeln. Sie blickte an sich herunter und grinste böse. Die FBI-Jacke, die sie eigentlich zum Schutz vor der Kälte angezogen hatte, erwies sich jetzt als ausgesprochener Glücksgriff. Sie bändigte ihre Haare, fischte das FBI-Base-Cap aus der Jackentasche und zog es auf. In dieser Aufmachung ging sie ohne weiteres als Bundesagentin durch. So, der Anfang war gemacht.

 

Rebekka überlegte kurz, wo sie sich im Augenblick befand. Sie hatte das Haus vom Schlafzimmer aus verlassen und war schnurgerade in den Wald gelaufen. Also musste die Straße östlich von ihr liegen. Zielstrebig machte sie sich in diese Richtung auf und schon nach wenigen Minuten gelangte sie an den Waldrand. Ein Stückchen weiter vorn konnte sie die Straße vor sich liegen sehen. Nur hundert Meter weiter zweigte die Zufahrt zum Haus ab, in dem sie die letzten Wochen seit ihrer Ankunft in Washington verbracht hatte. Zusammen mit den anderen. Zwei von ihnen waren bereits tot. Darunter ihr Bruder. Nun, sie hatte nicht vor, den beiden zu folgen. Außer ihr lebte nur Aaron noch. Im Grunde der, der es am wenigstens verdiente. Aber an den kam sie im Moment nicht heran. Genauso wenig wie an DiNozzo. Jetzt musste sie erst einmal sehen, dass sie hier weg kam. Ihr Plan war es, so schnell wie möglich in Aarons Stadtwohnung zu fahren, um dort nach den Schlüsseln der Wohnung zu suchen, die er unter dem Namen Alan Porter gemietet hatte. Von dieser Wohnung wusste weder der NCIS, noch das FBI. Also der ideale Ort, um sich zu verstecken und in aller Ruhe zu entscheiden, wie sie weiter vorgehen sollte. Rebekka spähte angestrengt in die Dunkelheit hinaus. Noch war niemand vom FBI zu sehen. Vermutlich waren sie noch damit beschäftigt, alles in der näheren Umgebung der Gebäude abzusuchen. Ein flüchtiges Lächeln huschte über ihr Gesicht. 'Stümper' dachte sie verächtlich, als im gleichen Moment die Lichter eines sich nähernden Fahrzeugs auftauchten. Sofort richtete Rebekka ihre Konzentration darauf. Bei dem Wagen handelte es sich um offenbar um einen Kleinwagen – garantiert kein FBI-Fahrzeug. Entweder stand die Straßensperre noch nicht, oder der Mann war nun vorgewarnt. Egal, das Risiko musste sie eingehen.

 

'Das ist wahrscheinlich meine einzige Chance' dachte sie und trat ohne Zögern auf die Fahrbahn. Sie hob die Hand und hoffte, dass die FBI-Jacke ihren Zweck erfüllen würde. Und tatsächlich bremste das Auto sofort, als sie die Scheinwerfer erfasst hatten. Der Fahrer des Wagens ließ surrend das Seitenfenster nach unten fahren und fragte hilfsbereit: „Ist etwas passiert?“

 

„Ja, wir haben dort hinten einen Einsatz und ich sollte schnellstens nach Woodbridge fahren. Dummerweise bin ich mit mein Wagen über etwas gefahren, das mir gleich zwei Reifen aufgeschlitzt hat. Bitte, können Sie mich in die Stadt mitnehmen? Mein Boss reißt mir sonst den Kopf ab.“ Sie lächelte den Mann hinreißend an, der auch sofort bereit war, sie einsteigen zu lassen.

 

Eine Minute später fuhren sie stadteinwärts und entfernten sich zügig vom Einsatzort. Rebekka war durch die Maschen geschlüpft.  

 

 

21.25 Uhr – Bethesda Hospital

 

Nervös saß McGee auf einem Stuhl vor einem Untersuchungszimmer und wartete – wie es schien, schon seit einer halben Ewigkeit. Dabei wusste er sehr gut, dass erst wenige Minuten vergangen waren, nachdem die Ärzte Tony in das Zimmer gerollt hatten. Ihm hatte man bedeutet, in einem Warteraum ein Stück entfernt abzuwarten, doch McGee hatte noch sehr gut Gibbs´ Warnung im Ohr, die dieser ihm noch kurz vor der Abfahrt mit auf den Weg gegeben hatte:

 

„Tim, du lässt ihn keine Sekunde aus den Augen, hast du verstanden?“

 

Natürlich hatte er verstanden! Dieser Anweisung hätte es nicht erst extra benötigt Schließlich hatte er Tony gesehen und er wusste auch, dass Rebekka Rivkin geflohen war. Man brauchte kein Hellseher zu sein, um zu wissen, dass diese Frau erst aufgeben würde, wenn sie das erreicht hatte, was sie sich vorgenommen hatte. Ohne Rücksicht auf Verluste! Er dachte kurz an den jungen FBI-Beamten, dem sie ohne viel Federlesens das Genick gebrochen hatte und verzog das Gesicht. Er hatte gehört, wie Fornell zu einem Kollegen gesagt hatte, dass der Mann erst vor wenigen Monaten geheiratet hatte und seine Frau schwanger sei. Na ja, wie auch immer: Auf gar keinen Fall hatte er in diesem Aufenthaltsraum warten wollen. Am liebsten hätte er Tony in den Untersuchungsraum begleitet, doch die Ärzte hatten ihm den Zutritt strikt verweigert. Also hatte er sich einen Stuhl direkt neben die Tür des Untersuchungszimmers gestellt und harrte nun der Dinge, die da kommen würden.

 

Er dachte zurück an die Fahrt im Krankenwagen. Zunächst war es ein wenig hektisch zugegangen. Der Notarzt und der Sanitäter waren auf dem engen Raum um Tony herumgewuselt und hatten allerlei Dinge überprüft, ihm mehrfach etwas gespritzt, wovon man ihm erklärt hatte, dass dies Medikamente gegen Schmerzen und zur Kreislaufstabilisierung waren. Und immer wieder hatten Männer die Vitalfunktionen geprüft, bis der Arzt endlich mit offenkundiger Erleichterung in der Stimme verkündet hatte, dass Tony´s Zustand nun wenigstens stabil sei, woraufhin alle befreit aufgeatmet hatten. Tony hatte während der ganzen Prozedur kein Wort gesagt und alles mit geschlossenen Augen über sich ergehen lassen. Alle dachten, er schliefe, doch Tony hatte sie eines Besseren belehrt, als er hörte, dass sie ihn ins nächste Krankenhaus einliefern wollten. Er schlug die Augen auf und hob mühsam den rechten Arm.

 

„Nein!“, hatte er heiser gekrächzt. „Bethesda…ich … ich will ins Bethesda.“

 

„Aber das dauert zu lange“, hatte der Notarzt eingewendet. „Sie müssen schnellstmöglich behandelt und wahrscheinlich auch operiert werden. Sie wären eben dort drinnen fast gestorben. Sie waren heute bereits klinisch tot und das muss ihr Körper auch erst einmal verdauen.“

 

Und dann hatte Tony sie alle überrascht, als er mit dem Kopf schüttelte und zwei Finger hob. „Zweimal“, sagte er undeutlich. „Heute Morgen auch. … haben mich zurückgeholt.“

 

Er hatte seinen Kollegen entsetzt angestarrt. Zweimal?! Tony war heute Morgen schon einmal gestorben und diese Typen hatten ihn tatsächlich ins Leben zurückgeholt? Nur, um ihn weiter quälen zu können? Wie pervers war das denn? Unterdessen hatte Tony versucht, sich aufzurichten, was der Arzt mit sanftem Händedruck auf seinen Brustkorb prompt zu verhindern suchte.

 

„Ganz ruhig. Regen Sie sich nicht auf. Das Krankenhaus von Woodbridge ist gut ausgerüstet.“

 

„Trotzdem…ich will ins Bethesda. Tim…?“, hatte er verzweifelt gestammelt. Er wollte die Ärzte noch weiter beschwören, als ihn ein heftiger Hustenanfall schüttelte. Sofort beugte sich der Arzt über ihn und drückte Tony eine Sauerstoffmaske über Mund und Nase. Keuchend sank er zurück und atmete tief ein und aus, dabei ließ er keinen Blick von McGee.    

 

Er verstand den Hilferuf seines Freundes und hatte sich eingemischt: „Hören Sie, Sie sagen doch selber, dass er jetzt stabil ist und Aufregung schadet ihm doch sicher. Bringen Sie ihn ins Bethesda. Dort ist er schon bekannt. Es gibt eine Krankenakte und dort haben wir auch deutlich bessere Möglichkeiten, ihn bewachen zu lassen. Wir kennen die Örtlichkeiten und können uns auf alle Eventualitäten einrichten.“

 

„Aber wir können ihn doch später noch in ein anderes Krankenhaus überführen. Eine schnelle Erstbehandlung ist jetzt immens…“

 

„Wer weiß, ob er nach einer OP überhaupt transportfähig ist. Bitte, tun Sie, was mein Kollege verlangt. Ich übernehme die volle Verantwortung“, hatte er mit einem leicht flauen Gefühl in der Magengegend hinzugefügt.

 

Das hatte anscheinend den Ausschlag gegeben. Der Arzt gab mit leicht verkniffenem Gesicht dem Fahrer die Zieländerung an und McGee hatte plötzlich Tony´s Hand an seinem Knie gespürt. Für einen kurzen Augenblick hatten sich ihre Blicke getroffen und der Schmerz und die Verzweiflung, die immer noch in Tony´s Augen zu erkennen waren, hatten McGee mehr angerührt, als er es jemals vermutet hätte. Er griff nach der Hand seines Freundes und drückte sie beruhigend.

 

„Danke“, kam es kaum verständlich von der Bahre.

 

„Keine Ursache, Tony. Aber jetzt versuch, dich zu entspannen.“ Er wusste selber, wie grotesk das angesichts Tony´s Zustand klang, doch was hätte er sonst sagen sollen? Tony hatte nur leicht genickt und die Augen geschlossen.

 

Jetzt hockte er also hier in diesem kalten, unpersönlichen Krankenhausflur und betete um vielerlei Dinge:

Dass die Verstärkung, die Gibbs ihm zugesagt hatte, schnell eintreffen würde. Er brannte darauf, ins Hauptquartier zu fahren und den anderen zu helfen. Aber dies konnte er erst tun, wenn sichergestellt war, dass hier vor Ort Tony´s Bewachung 1000%-tig stand. Vorher würde er das Krankenhaus nicht verlassen. Ihm war klar, dass das an einem Sonntagabend mit Sicherheit etwas dauern würde, denn schließlich musste Gibbs erst alles organisieren.

 

Dass Rebekka Rivkin nach Möglichkeit von einem Bus überfahren würde. Er lächelte wehmütig vor sich hin. Zynismus lag ihm normalerweise nicht, und er wusste sehr gut, dass die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Wunsch in Erfüllung ginge, verschwindend gering war. Doch diese Frau machte ihm tatsächlich Angst und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

 

Vor allen Dingen aber betete er dafür, dass es Tony gelingen möge, dem Tod ein drittes Mal – wenn man es genau nahm, eigentlich ein viertes Mal innerhalb von einem Jahr – von der Schippe zu springen. Und das möglichst ohne Folgeschäden…


Kapitel 34

21.34 Uhr – Bethesda Hospital

 

Die Türen des Untersuchungszimmers öffneten sich und zwei Schwestern rollten Tony in seinem Bett hinaus. Unwillkürlich vergewisserte sich McGee, dass keine der beiden irgendwie wirkte, als käme sie aus Israel. Glücklicherweise waren beide blond und passten auch vom Alter her nicht auf die Beschreibung Rebekkas. Er stand auf und wollte dem kleinen Trupp schon hinterher, als der Arzt aus dem Zimmer trat und ihn ansprach.

 

„Agent McGee?“

 

Etwas hilflos blickte er zwischen dem davonrollenden Bett, in dem sein Freund wie tot lag, und dem Arzt hin und her: „Wo bringen sie ihn hin?“

 

„Keine Sorge. Nur in die Radiologie. Zum Röntgen. Bevor wir ihn operieren, müssen wir genauestens wissen, wie es in seinem Inneren aussieht. Ihm wurde ja offenbar ziemlich übel mitgespielt.“

 

„Was genau fehlt ihm denn?“

 

„Na ja, es wäre fast einfacher aufzuzählen, was mit ihm noch in Ordnung ist“, antwortete der Mediziner grimmig. „Die äußerlichen Verletzungen wie Platzwunden und Hämatome brauchen wohl einige Zeit, um zu heilen, sind aber nicht lebensbedrohlich. Einige der Risse müssen wir nähen, auch die Wunde an der Schläfe, das kann einige Narben geben. Dann sind da noch diese anderen Fleischwunden, die aussehen wie Bisse, die werden auch länger brauchen, bis sie abgeheilt sind. Bei der Gelegenheit: Ich gehe davon aus, dass Ihr Kollege durchgeimpft ist?“

 

„Natürlich, das sind wir alle“, antwortete McGee knapp.

 

„Sehr gut. Nun, ich hoffe, wir kommen bei den Bisswunden ohne Hauttransplantation aus. Eine Wunde ist verdammt tief und sehr großflächig, aber wir werden sehen. – Sehr viel schwer wiegender sind der äußerst komplizierte Bruch des linken Armes und vor allem die Verletzungen an den Fingern. Der Arm muss operiert und genagelt werden, der Bruch ist übelst verschoben und verdreht, wir müssen damit rechnen, dass Knochensplitter zu entfernen sind; das können wir aber erst in Angriff nehmen, wenn sein Kreislauf stabilisiert ist, ebenso wie die Operation an seiner Hand. Was da genau zu tun ist, entscheiden wir, nachdem wir die Röntgenaufnahmen gesehen haben. Wie ich seiner Krankenakte entnommen habe, wurde er erst vor einem halben Jahr schon einmal an dieser Hand operiert?“

 

„Ja, damals war er bei einem Einsatz schwer verletzt worden“, antwortete Tim niedergeschlagen. Was der Arzt bisher aufgezählt hatte, hatte ihm schon Übelkeit verursacht, aber das war anscheinend noch nicht alles.

 

„Wir werden wegen der Hand einen Spezialisten hinzuziehen, ich hoffe, Prof. Stern ist verfügbar. Es sind Knochen und Nerven verletzt, ich fürchte, da steht ihrem Kollegen noch einiges bevor. Zu den Erfolgsaussichten kann ich jetzt noch keine Prognose abgeben. – Letztlich sind da noch die Geräusche auf seiner Lunge, die uns Sorgen bereiten. Agent DiNozzo hat sich eine böse Lungenentzündung eingefangen, die wir hoffentlich mit starken Medikamenten baldmöglichst in Griff bekommen. Seine allgemeine Konstitution ist aufgrund der massiven Folterungen ziemlich angeschlagen, was gerade bei den Eingriffen, die jetzt anstehen, ein nicht zu unterschätzendes Risiko darstellt.“  

 

„Risiko?“, fragte McGee mit einem angstvollen Unterton in der Stimme. „Soll das heißen, dass... dass er...?“ Der Arzt wollte ihm doch jetzt nicht ernsthaft schonend beibringen, dass Tony, nachdem er diese schrecklichen zwei Tage überlebt hatte, womöglich doch noch … sterben könnte?

 

„Seien Sie versichert, wir tun alles in unserer Macht stehende, um ihrem Kollegen zu helfen. Er hatte ja vor einem halben Jahr auch schon sehr schwer zu kämpfen und hat das im Nachhinein ganz gut überstanden. Wie ich gelesen habe, stand es da noch bedeutend schlechter um ihn.“

 

„Ja, das stimmt wohl. Aber diese Lungenentzündung. - Wissen Sie, er hatte einmal die Lungenpest. Und Dr. Mallard – das ist unser Pathologe – hat gelegentlich erwähnt, dass dadurch Tony´s Lungen dauerhaft geschädigt wären.“

 

„Ja, das stand auch in den Akten und diese Tatsache kommt bedauerlicherweise erschwerend dazu. Hören Sie, im Augenblick können wir nur spekulieren. Lassen sie uns zunächst einmal abwarten, was die Röntgenaufnahme zeigt. Danach sehen wir schon einmal etwas klarer. – Im Moment habe ich aber noch ein anderes Problem. Wir haben dem Patienten vorhin angedeutet, dass wir ihn eventuell zu seinem eigenen Besten nach der OP in ein künstliches Koma versetzen wollen, damit sein Körper die Chance bekommt, sich zu regenerieren. Auch im Hinblick auf die Schmerzen nach der OP wäre das die beste Lösung. Ihr Freund verweigert jedoch strikt seine Zustimmung zu dieser Maßnahme. Er hat sich sogar unverhältnismäßig über die Andeutung aufgeregt. Vielleicht können Sie ja noch einmal mit ihm reden und ihn davon überzeugen, dass es besser für ihn wäre.“

 

„Das glaube ich nicht. In seiner Krankenakte steht doch bestimmt, dass er fast zwei Monate im Koma gelegen hat. Er wird Angst haben, dass er nicht wieder aufwacht“, überlegte Tim, bevor er fortfuhr. „Sein behandelnder Arzt war damals Dr. Andrews. Vielleicht wollen sie sich mit ihm besprechen?“

 

„Natürlich kann ich Agent DiNozzo´s Ängste verstehen, trotzdem wäre es besser für ihn, wenn er nach der bestimmt anstrengenden OP einige Zeit völlig ruhiggestellt wäre. Leider ist Dr. Andrews heute nicht im Dienst, sonst hätte ich ihn gleich hinzugezogen, aber wir können mit der Behandlung nicht bis morgen warten. Natürlich gibt es immer ein Restrisiko, aber vielleicht versuchen sie trotzdem, ihren Kollegen zu überzeugen. – Kommen Sie, ich zeige Ihnen jetzt den Weg zur Radiologie.“

 

 

21.30 Uhr – Rebekkas Flucht – Auf der Landstraße Richtung Woodbridge

 

Rebekka dachte angestrengt nach, während sie schweigend durch die Windschutzscheibe auf vor ihr liegende Straße blickte. Die Lichter von Woodbridge näherten sich stetig und sie wusste, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb. Zudem hatte sie bemerkt, wie der freundliche Autofahrer, der sie nichtsahnend aufgelesen hatte, sie schon ein paar Mal aufmerksam von der Seite her gemustert hatte. Ein Umstand, der sie zwar nicht nervös machte, sie aber zunehmend ärgerte.

 

„Sind Sie nicht ein wenig jung, um schon eine vollwertige FBI-Agentin zu sein?“, fragte er schließlich.

 

Innerlich verdrehte die Israelin die Augen. Dass diese Amerikaner nicht mal ihre Klappe halten konnten. Immerzu mussten sie „Small-Talk“ machen. Ein Umstand, der sie schon seit ihrer Ankunft in Amerika nervte. Mühsam zwang sie sich zur Höflichkeit und lächelte den Mann gewinnend an: „Das täuscht. So jung bin ich gar nicht mehr.“ Krampfhaft bemühte sie sich um eine deutliche und vor allen Dingen akzentfreie Aussprache.

 

„Was ist denn dort hinten eigentlich passiert?“, erkundigte sich ihr Chauffeur neugierig.

 

„Oh, darüber darf ich Ihnen leider keine Auskunft geben“, entgegnete sie unverbindlich.

 

„Schade“, bedauerte der Mann. „Wissen Sie, über die Leute, die das Haus dort gekauft haben, kursieren in der Stadt schon die wildesten Gerüchte. Erst hieß es ja, dort wohnt nur ein Mann, aber seit einiger Zeit gehen dort eine Menge Leute ein und aus. Zu den unmöglichsten Zeiten. Der Käufer scheint ja Amerikaner zu sein, aber die anderen wirken wie Ausländer. Ich meine, man hört ja so viel. Sie wissen schon, diese El Kaida-Schläfer, die sich überall einnisten und nur auf ihren Weckruf warten, um zur Tat zu schreiten. Ich bin der Meinung, die Leute müssten viel wachsamer sein. Ich für meinen Teil achte auf meine Umgebung und Mitmenschen. Vielleicht könnte ich Ihnen ja behilflich sein. Sie müssen wissen, ich bin Jäger und oft schon frühmorgens im Wald unterwegs. Heute Morgen zum Beispiel dachte ich, ich hätte Schreie aus dem Haus gehört. Aber als ich mich näher herangepirscht habe, war wieder alles ruhig. Trotzdem – ich habe direkt vermutet, dass dort nicht alles mit rechten Dingen zugeht und so wie es aussieht, habe ich ja recht gehabt, nicht wahr?“

 

Das reichte! Definitiv! Wie konnte dieser Schnösel es wagen, eine Mossad-Agentin mit den Leuten der El Kaida zu vergleichen!? Rebekka war der Auffassung, dem Idioten lange genug zugehört zu haben. Außerdem wurde es Zeit. Der Wald begann bereits sich zu lichten und die ersten bewohnten Häuser wurden bereits sichtbar. Sie zog ihre Hand mit der Waffe des getöteten FBI-Agenten aus der Tasche und richtete sie auf den Schwätzer. „Anhalten!“, befahl sie mit eiskalter Stimme.

 

„Was?“ Der Mann wandte ihr sein Gesicht zu und zuckte zurück. „Hey“, protestierte er mit zittriger Stimme. „Was soll denn das?!“

 

„Ich sagte anhalten! Sofort! Fahren Sie dort den Feldweg rein!“ Um ihrem Befehl Nachdruck zu verleihen, drückte Rebekka dem hilfsbereiten Autofahrer die Waffe seitlich in die Rippen.

 

„Schon gut, schon gut, ich mach´ ja schon“, rief der Mann hektisch. „Nur nicht nervös werden.“ Er bremste ab, lenkte ein und ließ seinen Wagen seitlich in einen Feldweg rollen.

 

Rebekka nickte zufrieden. „Na bitte, es geht doch. Jetzt fahren Sie noch ein Stückchen weiter und dann bleiben Sie stehen. Und machen Sie endlich das Licht aus! Klar?“

 

„Ja, ja, alles klar. Machen Sie bloß keinen Blödsinn. Ich tue ja alles, was Sie wollen!“

 

‚Was für ein Waschlappen‘, dachte Rebekka bei sich und wartete bis der Wagen endlich zum Stillstand gekommen war. Dann befahl sie kurz: „Aussteigen!“

 

„Hören Sie, Sie können den Wagen haben, okay? Ich werde Sie nicht verraten! Ganz bestimmt nicht! Lassen Sie mich einfach hier zurück, ich…“

 

„Großer Gott, halt´ endlich die Klappe“, fauchte Rebekka und fuchtelte kurz mit der Waffe vor dem Gesicht des Mannes herum, der abrupt ängstlich verstummte. „Ich sagte: Raus hier! Na los, mach´ schon! Ich hab´ nicht ewig Zeit!“

 

Der Mann öffnete die Fahrertür und fiel förmlich aus dem Wagen hinaus, da er so weit vor Rebekka zurückgewichen war, dass er mit dem Rücken gegen die Tür gelehnt hatte. Auch Rebekka stieg aus und kam langsam und bedächtig um den Wagen herum. Sie beobachtete mit einem verächtlichen Lächeln auf den Lippen, wie der verzweifelte Mann versuchte, sich aufzurappeln. Durch das feuchte Laub und auch bedingt durch seine Angst plumpste er aber mehrere Male zurück in den Dreck. Schließlich gab er es auf, stützte sich auf einen Ellbogen und blickte voller Angst zu Rebekka hoch, die mittlerweile unmittelbar vor ihm stand. „Was haben Sie mit mir vor?“, flüsterte er mit zitternder Stimme.

 

„Was glaubst du wohl?“, antwortete Rebekka höhnisch.

 

„Sie müssen mir nichts tun, ehrlich. Ich schwöre, ich werde Sie nicht verraten, ich…“

 

„Jacke aus“, befahl Rebekka knapp.

 

„Aber…“

 

Rebekka bückte sich ein wenig und hielt die Waffe genau vor das Gesicht des Mannes. Innerlich weidete sie sich an seiner Angst und seinem Leid. „Aus zie hen!“, zischte sie mit besonderer Betonung auf jeder einzelnen Silbe.

 

„Sicher! Sofort! Augenblick! Bitte, machen Sie sich nicht unglücklich!“ Der Mann wand sich schwerfällig aus seiner Jacke heraus und reichte das Kleidungsstück schließlich an Rebekka weiter, die hastig danach griff.

 

Ohne ihr Opfer aus den Augen zu lassen tastete die Israelin die Taschen ab und beförderte aus der Innentasche schließlich eine Brieftasche hervor, die sie hinter sich durch die offene Fahrertür in den Innenraum des Wagens warf.

 

„Oh, ich verstehe“, stotterte der Mann erleichtert. „Sie brauchen Geld. Kein Problem. Lassen Sie uns in die Stadt fahren, dann kann ich Ihnen noch mehr besorgen.“

 

„Nicht nötig“, antwortete Rebekka kalt. „Es reicht, wenn du mir deine Geheimnummer sagst. Ich weiß, wie man einen Geldautomaten bedient.“

 

Voller Panik verriet der Mann Rebekka seine Geheimnummer und musste dann hilflos mit ansehen, wie sie seine Jacke zusammenknüllte und vor den Lauf ihrer Waffe hielt.

 

„Was ist los? Du sagst ja gar nichts mehr“, bemerkte die Israelin und registrierte zu ihrer großen Genugtuung, wie sich zwischen den Beinen des Mannes ein feuchter dunkler Fleck abzeichnete, der trotz der schlechten Lichtverhältnisse deutlich zu erkennen war und rasch größer wurde. „Ups“, sagte sie spitz. „Was ist das denn? Ich glaube fast, da ist dir ein kleines Missgeschick passiert. Kann das sein?“

 

„Ich…ich…bitte…ich schwöre Ihnen…“

 

„Shut up, du redest einfach zu viel!“ Rebekka spannte den Abzug und drückte kaltlächelnd ab. Der erste Schuss war durch den provisorischen Schalldämpfer nicht direkt tödlich und so gönnte sie sich noch kurz das Vergnügen, ihrem Opfer beim Todeskampf zuzusehen. Stöhnend presste der Mann seine Hand auf die Bauchwunde und blickte sie flehentlich aus weit aufgerissenen Augen an. Dabei versuchte er instinktiv verzweifelt auf dem feuchten, schlammigen Boden etwas Abstand zwischen sich und seine Henkerin zu bringen, indem er immer wieder die Füße in den Boden stemmte. Doch die paar Zentimeter, die er dadurch gewann, reichten natürlich bei weitem nicht aus. Rebekka empfand bei diesen kläglichen Fluchtversuchen eine tiefe Befriedigung. „Hat dir denn niemand gesagt, dass man keine Anhalter mitnehmen sollte?“, höhnte sie. „Das war mit das Erste, was mein großer Bruder mir beigebracht hat. – Tja, dein Pech!“, schloss sie schließlich. „Schade eigentlich – ich würde wirklich zu gerne zuschauen, wie du ausblutest, aber dafür fehlt mir leider, leider die Zeit. Sehr bedauerlich.“ Mit einer fließenden Bewegung richtete sie die Waffe auf den Kopf des Mannes und drückte noch zweimal kurz hintereinander ab. Zufrieden beobachtete sie, wie der Waschlappen lautlos zusammensackte und sich nicht mehr regte. „Adieu, du armseliger Wicht“, murmelte sie leise vor sich hin. „Noch nicht mal sterben kannst du wie ein Mann! Warst eben ein echter Amerikaner!“ Verächtlich spuckte sie auf die Leiche des hilfsbereiten Mannes, der ihr noch kurz zuvor so freundlich aus der Patsche geholfen hatte.

 

Sie ging neben dem Mann in die Hocke, wobei sie vorsichtshalber die Waffe noch im Anschlag ließ. Man konnte ja nie wissen…Sie legte zwei Finger seitlich auf den Hals des Mannes und nickte befriedigt, als sie keinen Puls mehr feststellen konnte. Okay, den war sie endgültig los. Sie drehte sich um, legte Waffe und Jacke in den Wagen und ging zurück zu dem Toten. Jetzt kam der schwierige Teil. Sie war noch nie die Stärkste gewesen und ihr Opfer war ganz schön kräftig gebaut, aber es musste sein. Sie trat hinter den Mann und fasste ihn unter die Achseln. Ächzend zerrte sie ihn dann Stück für Stück von dem Feldweg weg in den Wald hinein, denn sie wollte vermeiden, dass er zu schnell gefunden wurde. Wenn ihn jemand identifizieren konnte, wussten ihre Häscher mit was für einem Wagen sie unterwegs war. Nach einigen Metern und einer für Rebekka ziemlichen Kraftanstrengung war sie der Meinung, dass es nun reichte. Sie legte die Leiche hinter einem Baum ab und durchsuchte noch schnell seine Taschen. Dabei dachte sie an Michael, ihren Bruder, von dem sie alles, was sie wusste, gelernt hatte. Ohne seine Tipps und Ratschläge wäre sie wahrscheinlich nie soweit gekommen. Dafür war sie ihm heute noch dankbar.

 

In der hinteren Hosentasche fand sie noch eine kleine Geldbörse, die sie ebenfalls an sich nahm. Sonst war da nichts mehr. Rebekka richtete sich auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn, denn trotz der Kälte war sie bei ihrer Aktion ins Schwitzen geraten. Sie bedeckte die Leiche noch rasch mit Laub und griff dann nach einem dicken Ast. Damit verwischte sie auf dem Rückweg zum Auto die Schleifspuren. Vor dem Einsteigen in den Wagen sah sie sich noch einmal um und befand dann, dass sie mehr nicht tun konnte. Doch sie ging davon aus, dass Autospuren auf einem Feldweg in dieser Gegend nichts Ungewöhnliches waren. Jedenfalls nichts, weswegen man gleich Alarm schlagen musste. Sie stieg in den Wagen und durchsuchte noch schnell die Geldbörse. Viel Bargeld war nicht darin, doch in der Brieftasche fand sie gleich darauf die Scheckkarte und ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sehr gut! Sie würde keine Zeit verlieren und sich gleich in Woodbridge einen Geldautomaten suchen. Wenn man die Leiche erst gefunden hatte, durfte sie das nicht mehr riskieren. Doch noch hatte sie alle Zeit der Welt und es wäre bestimmt nicht schlecht, Aarons Notgroschen etwas aufzustocken. Schließlich wusste sie ja nicht, wie lange sie abtauchen musste. Rebekka wendete den Wagen, lenkte ihn zurück auf die Straße und in Richtung Stadt.

 

Während sie in gemäßigtem Tempo auf Woodbridge zufuhr, ließ sie ihre Gedanken abschweifen. Das war doch eigentlich ganz gut gelaufen. Sie hatte eine Waffe, ein Auto, Bargeld und eine zusätzliche Möglichkeit an Geld zu kommen. Es könnte deutlich schlechter für sie aussehen. Nach dem Besuch am Geldautomaten würde sie auf dem schnellsten Wege zurück nach DC fahren. Wie war noch die Adresse von Aarons Wohnung in South Kensington gewesen? Sie überlegte scharf. Com…Nein, Corches…Nein, Colchester Nr. 107! Genau! Das war die Adresse! Sie war fest davon überzeugt, dass sie dort die Schlüssel zu Aarons Notfall-Wohnung, die er als Alan Porter gemietet hatte, finden würde. Und wenn sie die erst einmal hatte, dann war sie vorläufig in Sicherheit und konnte in aller Ruhe darüber nachdenken, wie sie diesem verdammten Mörder DiNozzo doch noch das Licht ausknipsen konnte…


Kapitel 35

21.45 Uhr – Hauptquartier – Verhör von Aaron Rosen

 

Ziva stand schweigend zusammen mit ihrem Vater vor der großen Glasscheibe im Beobachtungszimmer und durchbohrte Aaron Rosen, der nervös auf dem Stuhl im Verhörraum saß, mit ihren Blicken. Sie hatte sich an Gibbs´ Anweisung gehalten und war dem Israeli nicht zu nahe gekommen, was sie allerdings einiges an Selbstbeherrschung gekostet hatte.

 

Eli David hatte von Gibbs gefordert, bei dem Verhör dabei zu sein, was dieser aber konsequent abgelehnt hatte. „Nein, zuerst verhöre ich ihn allein. Sie können hinter der Glasscheibe zusehen. Wenn ich es für nötig erachte, kann ich sie immer noch hinzuziehen.“

 

„In unserem Land führe ich alle wichtigen Verhöre. Ich bin ein Spezialist darin“ entgegnete Eli mit dunkler Stimme.

 

„Das glaube ich Ihnen gerne. Aber ich bin auch ein Spezialist und das Anfassen der zu Verhörenden ist bei uns nicht erlaubt!“ Damit hatte Gibbs den stellvertretenden Mossad-Direktor stehen lassen und war Richtung Verhörraum verschwunden.

 

Eli hatte sich daraufhin widerstrebend mit Ziva ins Beobachtungszimmer begeben. Er hasste es, untätig zusehen zu müssen, wie ein anderer seinen Job machte. Und er hasste es noch mehr, seine Tochter neben sich zu sehen, wie sie sich vor lauter Sorge um ihren amerikanischen Liebhaber fast verzehrte. Ziva war es wahrscheinlich gar nicht bewusst, aber sie biss pausenlos auf ihrer Unterlippe herum und knetete in einem fort ihre Finger ineinander. Dabei grub sie die Fingernägel so fest ein, dass diese tiefe Spuren auf ihren Händen hinterließen. Eli konnte es kaum mit ansehen, doch er hütete sich, etwas dazu zu sagen.

 

In diesem Moment betrat Gibbs mit festen Schritten den Verhörraum. Er klatschte eine Mappe mit den bisherigen Unterlagen, die sie zusammengetragen hatten, auf den Tisch und setzte sich. Das laute Geräusch ließ Aaron Rosen unwillkürlich zusammenzucken. Er starrte auf die Mappe und vermied es, Gibbs in die Augen zu blicken.

 

„Aaron Rosen alias Alex Portsmith alias Alan Porter. Ziemlich viele Namen für eine einzelne Person!“ Gibbs hatte in ganz normalem Ton gesprochen und blickte den Israeli jetzt mit seinen blauen Augen unverwandt an. „Finden Sie nicht?“

 

Nach wie vor vermied Rosen es, den NCIS-Agent anzusehen. Stur schwieg er weiterhin und studierte intensiv die zerkratzte Tischplatte vor sich.

 

„Sie waren an der Entführung und der Folterung eines Bundesagenten maßgeblich beteiligt. Wir haben dafür jede Menge Beweise und zwei Augenzeugen“. Als Aaron überrascht kurz aufsah, klärte ihn Jethro auf. „Tja, sehen Sie, Agent DiNozzo hat Ihre Folterungen überlebt.“ In Gedanken fügte er hinzu: '…und Gott gebe, dass es so bleibt.' Laut sagte er: „Im Grunde genommen ist das ein großes Glück für Sie, denn sonst käme noch eine Anklage wegen Mord hinzu. Aber das Strafmaß für Entführung, Mordversuch, Freiheitsberaubung und Körperverletzung dürfte auch so ausreichen, um sie lebenslänglich hinter Gitter zu schicken.“

 

Aaron schien auf seinem Stuhl immer kleiner zu werden. Er stand vor den Scherben seines Lebens und das nur, weil er sich von Thomas Rivkin damals in dieser Kneipe zu diesem verfluchten Job hatte überreden lassen.

 

In diese Überlegungen hinein fuhr Gibbs fort: „Sagen Sie mir alles, was sie über Rebekka Rivkin wissen. Wenn es hilfreich ist, sie zu finden, können Sie vielleicht etwas für sich raus schlagen.“  

Fast ängstlich sah Aaron nun zum ersten Mal richtig auf. Der stechende Blick des Chefermittlers jagte ihm einen Angstschauer über den Körper. „Schlagen Sie mir einen Deal vor?“, erkundigte er sich leise.

 

„Wer weiß…“, antwortete der Teamleiter mit einem unergründlichen Anflug eines zynischen Lächelns im Gesicht.

 

Rosen überlegte krampfhaft, ob er etwas über Rebekka preisgeben sollte. Aber was wusste er eigentlich? Wo konnte sie hin wollen? Und wenn sie spitz kriegen würde, dass er womöglich zu ihrer Ergreifung beigetragen hatte, dann war er ein toter Mann. Seine ehemalige Freundin würde Mittel und Wege finden, ihn umbringen zu lassen, egal wo er sich versteckte. Er war doch nicht lebensmüde. Sicher, die Aussicht, im Gefängnis zu landen, versetzte ihn in Panik, aber die Alternative, umgelegt zu werden, war noch um einiges schlechter. Seiner Ansicht nach hatte er immer noch eine Menge zu verlieren.

 

„Verdammt, machen Sie den Mund auf!“ brüllte ihn in diesem Moment Gibbs an und hieb krachend mit der flachen Hand auf den Tisch, doch das einzige, das Aaron noch sagte, war: „Ich will einen Anwalt. Sofort. Ich habe das Recht auf einen Anwalt.“

 

Mit einem Blick, als ob er seinem Gegenüber jeden Moment an die Gurgel gehen wollte, erhob sich der Grauhaarige, packte die Akte zusammen und verließ ohne ein weiteres Wort den Verhörraum.

 

Eli David und Ziva hatten dem Verhör ohne eine Miene zu verziehen gelauscht. Jetzt verließen sie das Beobachtungszimmer und folgten Gibbs ins Großraumbüro.  

 

**********

 

„Das Verhör scheint nicht so gelaufen zu sein, wie Sie es sich vorgestellt hatten“. Eli David hatte sich vor Gibbs aufgebaut und bedachte ihn mit einem durchdringendem Blick.

 

Jethro erwiderte Eli´s Blick jedoch ohne mit der Wimper zu zucken. „Wir werden sehen, was bei dem morgigen Gespräch ans Licht kommt. Geben wir ihm ein wenig Zeit zum Nachdenken.“ Dann wandte er sich an die junge Israelin. „Ziva, erzähl mir alles, an was du dich erinnern kannst. Jedes kleine Detail könnte von Bedeutung sein.“

 

Ziva nickte und sie setzten sich an ihre Schreibtische. Die ehemalige Mossad-Agentin atmete einmal tief durch und begann zu berichten, zunächst stockend, doch schon nach wenigen Sekunden sprach sie flüssig und kontrolliert, wie man es von ihr gewohnt war.

 

Eli David zog sich McGee´s Stuhl heran und verfolgte kommentarlos mit unbewegter Miene Ziva´s Bericht.

 

 

21.53 Uhr – Bethesda-Krankenhaus

 

Ruckartig sprang McGee auf, als sich die Türen zur Radiologie öffneten und Tony herausgeschoben wurde. Gott sei Dank war Gibbs nicht in der Nähe, denn Tim war vor Erschöpfung auf seinem Stuhl eingenickt. Durch den Schock darüber war er jetzt allerdings hellwach. Mit wild klopfendem Herzen blickte er auf seinen Kollegen und Freund, der blass und regungslos auf dem Bett lag. Er hatte seine Augen geschlossen und schien zu schlafen.

 

McGee lief neben dem Bett her und fragte leise eine der Schwestern, ob Tony bewusstlos wäre oder schliefe. Doch anstatt der Schwester antwortete ihm DiNozzo selbst mit leiser, kraftloser Stimme: „Hey, Tim, du bist ja immer noch da. Ich ruhe mich nur ein wenig aus. Keine Angst, ich habe vor, euch noch ein Weilchen erhalten zu bleiben.“ Langsam öffnete er die Augen und versuchte ein kaum merkliches Lächeln. Die schmerzstillenden Medikamente hatten glücklicherweise ihre Wirkung entfaltet und Tony endlich Linderung verschafft. „So schnell werdet ihr mich nicht los.“

 

Inzwischen war auch Dr. Forster, der Arzt, der DiNozzo zuvor untersucht hatte, wieder zu der Gruppe gestoßen. Vor dem Eingang zum OP ließ er die Schwestern noch einmal anhalten und wandte sich an Tony: „Agent DiNozzo, haben sie es sich noch einmal überlegt? Ich meine, wegen des künstlichen Komas? Es wäre wirklich besser für Sie und Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Das ist ein absolut übliches Prozedere, dass mittlerweile dutzende Male am Tag angewendet wird. Ihr Körper bekommt dadurch Zeit, sich voll auf den Heilungsprozess zu konzentrieren und wird durch nichts abgelenkt. Wir wecken Sie nach ein, zwei Tagen wieder auf, und ...“.

 

Tony unterbrach den Arzt mit einer schwachen Handbewegung. „Keine Chance, Doc. Sie wecken mich auf, sobald die OP vorbei ist. Ich bestehe darauf.“ Plötzlich wurde er von einem erneuten schweren Hustenanfall durchgeschüttelt. Keuchend schnappte er nach Luft und sofort drückte ihm eine der Schwestern die Sauerstoffmaske aufs Gesicht. Gierig sog Tony den Sauerstoff in seine entzündeten Lungen, anschließend schloss er erschöpft die Augen. Sein Brustkorb bewegte sich immer noch heftig auf und ab, doch die Sauerstoffzufuhr schien ihm für´s Erste geholfen zu haben.

 

„Mensch, Tony“, mischte sich nun auch McGee ein, den der neuerliche Anfall zutiefst erschrocken hatte. „Sei doch vernünftig, die Ärzte hier wissen, was sie zu tun haben und du wolltest doch unbedingt hierher. Du solltest auf sie hören und dich einfach ein oder zwei Tage ausruhen. Schmerzen hast du dann auch keine mehr. Das ist doch schon was und es wird dir gut tun. Du wirst sehen, danach bist du schon fast wieder wie neu.“

 

Tony lächelte gequält, doch bevor er antworten konnte, wurde ihrer aller Aufmerksamkeit auf einen Mann gelenkt, der sich mit großen Schritten und wehendem Mantel der kleinen Gruppe vor dem OP näherte. Wachsam beäugte Tim die imposante Erscheinung und entspannte sich erst ein wenig, als dieser sich mit sonorer Stimme vorstellte: „Ich bin Prof. Paul Stern und ich nehme an, das ist der Patient, der meine Hilfe nötig hat!?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sich DiNozzo zu, dessen Arm auf eine Schiene gebettet und mit einem Tuch zugedeckt war. Vorsichtig hob der Professor das dünne Laken hoch und betrachtete sich die Schwere der Verletzungen. Nachdem er sich Tony´s Hand kritisch angesehen hatte, ohne diese jedoch zu berühren, senkte er das Tuch wieder.

 

„Mr. …?“ Prof. Stern sah Tony an und blickte dann fragend in die Runde. Dienstbeflissen gab Dr. Forster Auskunft: „NCIS-Special-Agent Anthony DiNozzo, Professor!“

 

„DiNozzo?“ Der etwa 55-jährige, graumelierte Arzt hob ein wenig die buschigen Augenbrauen. „Ein italienischer Name!“ stellte er fest.

 

„Halbitaliener“, flüsterte Tony in diesem Moment in seine Atemmaske, aber der Professor verstand ihn trotzdem.

 

„So, so, Halbitaliener also. Die Augen- und Haarfarbe stammen dann vermutlich von der … amerikanischen Seite?“, fragte Prof. Stern interessiert.

 

„Von meiner Mutter“, antwortete DiNozzo immer noch sehr leise.

 

„Ihre Mutter muss eine sehr gut aussehende Frau sein.“

 

Tony nickte leicht. „Ja, das war sie.“

 

McGee wunderte sich über den Smalltalk, den der Arzt mit Tony führte. Seiner Meinung nach sollte der Mann sich lieber mit den Verletzungen beschäftigen, aber es erschien ihm unpassend, sich in ein Arzt-Patient-Gespräch einzumischen. Doch im nächsten Moment verstand er, wieso der Arzt so leichthin mit Tony geplaudert hatte.

 

Der fast 1.90 m große Mann, der so gar nicht wie ein Chirurg wirkte, der sich mit feinsten Nerven und dergleichen befasste, legte Tony locker die Hand auf die Schulter. „Sie haben Bedenken wegen des künstlichen Komas…habe ich das richtig mitbekommen?“

 

„Ja, ich will das nicht, … ich bin vor ½ Jahr fast zwei Monate im Koma gelegen. Das reicht mir. Ich will nicht noch mehr Zeit meines Lebens verpassen.“ Tony sah den Arzt mit fiebrig glänzenden Augen an und atmete schwer aus und ein. Die paar kurzen Sätze hatten ihn über die Maßen angestrengt und die andauernden Hustenanfälle taten ihr übriges.

 

„Ich verstehe Sie, Anthony. Darf ich sie so nennen?“

 

„Tony, bitte“, entgegnete DiNozzo ziemlich schwach.

 

„Gut, dann also Tony. Ehrlich, ich würde nicht anders reagieren, wenn ich das erlebt hätte. – Vielleicht können wir uns ja auf folgendes einigen: Wir werden sehen, ob wir ohne diese Maßnahme auskommen. Wenn die OP zufriedenstellend verläuft, trage ich persönlich Sorge dafür, dass sie sofort wieder aufgeweckt werden. Aber sie müssen mir die Möglichkeit zugestehen, dass wir sie ein wenig länger schlafen lassen, wenn es mir nötig erscheint.“ Fragend sah er Tony an. „Nun, was sagen Sie zu dem Vorschlag?“

 

Die Art, wie der Professor mit ihm gesprochen hatte, beruhigte Tony zusehends. Er hatte fast augenblicklich Vertrauen zu dem graumelierten Mann im weißen Kittel gefasst. „Okay Doc“, sagte er nach kurzem Überlegen, wobei dem jungen Arzt bei der lapidaren Bezeichnung 'Doc' für den renommierten, in Ärztekreisen sehr bekannten und geschätzten Professor fast die Gesichtszüge entgleisten.

 

„Gut, sehr schön. Dann wollen wir Sie jetzt mal in den OP bringen.“

 

Während die Schwestern und Dr. Forster Tony durch die Tür schoben, wandte sich Prof. Stern zu Tim um. „Seien Sie versichert, wir werden alles in unserer Macht stehende für Ihren Kollegen tun. Aber was ich mit Sicherheit anhand meiner kurzen Inaugenscheinnahme des Armes sagen kann, ist, dass die Operation ziemliche Zeit in Anspruch nehmen wird. Ich denke, wenigstens fünf bis sechs Stunden, wenn es zu keinen Komplikationen kommt. Die Lungenentzündung macht die Situation nicht einfacher. - Sie sollten nach Hause fahren. Sie können hier im Augenblick nichts für ihn tun.“

 

„Danke, Professor Stern, doch das geht nicht. Tony muss rund um die Uhr bewacht werden. Die Frau, die ihm das angetan hat, ist noch auf freiem Fuß. Sie wollte ihn töten und es steht zu befürchten, dass sie es noch einmal versucht.“

 

„Nun…wenn Sie möchten, können Sie natürlich hier vor dem OP warten, aber ich würde Ihnen empfehlen, sich um eine Ablösung zu bemühen. Sie sehen furchtbar aus. Wie lange haben Sie nicht mehr geschlafen? - Über kurz oder lang klappen Sie zusammen.“ Prof. Stern nickte Tim noch einmal kurz zu, dann ging er durch die Tür Richtung Operationssaal.

 

McGee beobachtete, wie die schweren Milchglastüren sich leise scharrend schlossen. Jetzt hing alles von der Kunstfertigkeit dieses Professors ab. Hoffentlich war der Mann wirklich so gut, wie die Ärzte im Bethesda offenbar glaubten. Er ließ sich schwer auf einen der Plastikstühle fallen, ließ den Kopf hängen und strich sich müde über die Augen. Der Professor hatte Recht: Er war wirklich kaputt, aber noch war an Schlaf nicht zu denken. Hoffentlich kam die Ablösung bald.

 

Kapitel 36

22.17 Uhr – Colchester Nr. 107 – Die Flucht geht weiter

 

Langsam bog Rebekka in die Colchester Road ein, und versuchte im diffusen Licht der Straßenlaternen die Hausnummern zu erkennen. Als sie endlich den Häuserkomplex erreicht hatte, in dem die Nr. 107 liegen musste, parkte sie am Straßenrand und überlegte kurz, wie sie am besten in Erscheinung treten sollte: Als Privatperson in ihrer normalen Straßenkleidung oder als ‚FBI-Agentin’ mit der Jacke des ermordeten Beamten. Beides konnte sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringen. Letztendlich entschied sie sich, als Privatperson aufzutreten, denn sie wollte nach Möglichkeit jede Aufmerksamkeit vermeiden und falls sie jemand ansprach, dann konnte sie immer noch vorgeben einen Bekannten besuchen zu wollen. Das Geld und die Waffe nahm sie aber trotzdem mit – man konnte schließlich nie wissen was einen erwartete – eine von Michaels Überlebensstrategien. Ein Hauch von Trauer überkam sie – wie immer, wenn sie an ihren älteren Bruder dachte. Er war einfach der Beste gewesen! Deshalb gab es für sie auch überhaupt keinen Zweifel daran, dass DiNozzo Michael feige und hinterrücks ermordet hatte. Anders wäre es diesem Feigling nie gelungen, ihren Bruder zu erwischen.

 

Rebekka schüttelte die kurze Phase der Melancholie ab und machte sich entschlossen auf den Weg. Nach einigen Minuten hatte sie die richtige Hausnummer gefunden und griff nach Aarons Schlüsselbund, das sie ja Gott sei Dank in seinem Zimmer gefunden und eingesteckt hatte. Der Pedant Aaron hatte es – wie so vieles – ordentlich mit einem Schildchen versehen auf dem „Wohnung South Kensington“ stand. Ihr Glück! Bereits beim 2. Versuch hatte sie Glück und betrat den Hausflur. Aus Aarons Erzählungen wusste sie, dass das Apartment im 4. Stock lag und da gerade ein Aufzug bereit stand, stieg sie ein und fuhr hinauf. Ungesehen gelangte sie schließlich in die kleine Wohnung ihres  toten Ex-Freundes. Die Versiegelung, die die Beamten des NCIS draußen vor dem Schloss angebracht hatten, hatte sie kurzerhand zerstört. Das zeigte Rebekka, dass Aaron offenbar die Schwachstelle in ihrem Plan gewesen war. Der NCIS hatte zumindest von der Wohnung gewusst und es würde sie nicht wundern, wenn Aaron auch schuld daran war, dass diese Schwachköpfe das Haus in Woodbridge gefunden hatten. Aber jetzt war es sowieso egal. Natürlich würden die Beamten merken, dass sie in der Wohnung gewesen war – wahrscheinlich würden sie sie sogar dort suchen – aber sie würde sich ja nicht lange dort aufhalten. Sobald sie die Schlüssel zu dieser anderen Wohnung gefunden hatte, würde sie wieder verschwinden, denn nur dort war sie in Sicherheit. Sie glaubte keinen Augenblick, dass Aaron die Adresse preisgeben würde – wozu auch? Es brachte ihm ja nichts. Er hatte keine Ahnung, dass sie von der Wohnung wusste und ihm selber nützte sie ja auch nichts mehr.

 

Neugierig blickte sie sich in dem Apartment um. Alles war, wie sie es erwartet hatte. Penibel aufgeräumt und beinahe klinisch sauber, obwohl Aaron – soweit sie wusste – schon einige Tage nicht mehr dort gewesen war. Im Wohnraum angekommen kontrollierte sie zuerst die Regale und das offen liegenden Flächen. Dort fand sie jedoch nicht das, was sie suchte. Also öffnete sie methodisch verschiedene Schubladen und stöberte durch deren Inhalt. Wieder nichts. Verdammt! Sie war so davon überzeugt gewesen, dass sie den Schlüssel hier finden würde, dass sie sich gar keine Gedanken darüber gemacht hatte, was sie tun sollte, wenn es nicht der Fall war. Rebekka ging hinüber ins Schlafzimmer – auch dort fand sie nichts, was für sie interessant gewesen wäre. Langsam wurde sie nervös. Sie wollte sich nicht zu lange hier aufhalten – vielleicht sollte sie einfach zu der Adresse fahren und die Wohnung aufbrechen. Aber wenn sie das Schloss zerstörte, konnte sie sich nicht mehr dort verstecken – insbesondere nicht, wenn sie kein Aufsehen erregen wollte.

 

Sie trat ans Schlafzimmerfenster, schob die Gardine beiseite und schaute hinaus. Draußen schien alles ruhig zu sein. Doch sie war lange genug Agentin gewesen, um der seltsamen Unruhe, die sie plötzlich erfasst hatte, Raum zu geben. Sie wandte sich ab und setzte ihre Suche im Badezimmer fort. Ohne Ergebnis. Rebekka seufzte und beschloss erst einmal einem menschlichen Bedürfnis nachzugeben. Als sie auf der Toilette saß, blickte sie starr vor sich hin. Wo zum Teufel hatte der Mistkerl diese Schlüssel versteckt? Sie war sicher, dass sie hier irgendwo sein mussten. Offenbar hatte er tatsächlich damit gerechnet, dass er diese Notfallwohnung irgendwann brauchen würde und in diesem Fall wäre selbst Aaron bei der Wahl seines Verstecks wahrscheinlich vorgegangen wie ein Agent und nicht wie der penible Buchhalter, der er im Grunde seines Herzens immer schon gewesen war. Also…die Frage, die sie sich stellen musste, war nicht, wo Aaron die Schlüssel verstaut hätte, sondern wo sie selber die Schlüssel versteckt hätte! In diesem Augenblick fiel ihr Blick auf die unterste Reihe des Fliesenspiegels der Duschtasse. Täuschte sie sich, oder war hier die Verfugung tatsächlich etwas anders, als bei allen anderen Reihen?

 

Rebekka sprang elektrisiert auf, zog sich hastig an und kniete gleich darauf mit der Nase dicht über dem Boden. Vorsichtig kratzte sie mit dem Autoschlüssel an der Verfugung. Ja, sie hatte Recht gehabt! Hier waren offensichtlich eine Fliese herausgelöst und nachträglich wieder eingefügt worden! Wenn man in dem kleinen Raum stand und sich nur umschaute, fiel das überhaupt nicht auf. Wäre sie nicht zufällig auf die Toilette gegangen, hätte sie es glatt übersehen. Rebekka stieß einen leisen Fluch aus. Aaron, dieses kleine Arschloch. Soviel Raffinesse hatte sie ihm gar nicht zugetraut. Ihr Instinkt sagte ihr, dass sie ganz dicht dran war, ihr Ziel zu erreichen. Schnell rannte sie in die Küche, wo sie zuvor auf der Arbeitsplatte einen Fleischklopfer gesehen hatte. Der müsste für ihr Vorhaben ausreichen. Sie hatte nicht die Zeit, sich anderes Werkzeug zu besorgen und selbst, wenn sie gleich Lärm machte. Egal! Sollten lästige Nachbarn auftauchen musste sie zur Not eben etwas rabiat werden. Sie griff nach dem Fleischklopfer und erstarrte mitten in der Bewegung…

 

 

22.21 Uhr – NCIS Hauptquartier

 

Nach dem ersten Verhör von Aaron Rosen war die allgemeine Anspannung etwas von allen Anwesenden abgefallen. Nachdem Ziva ihren Bericht beendet hatte, war jedoch selbst Gibbs, der in seiner Zeit beim Militär schon vieles erlebt und viel gesehen hatte, sehr betroffen gewesen. Abby war fast in Tränen ausgebrochen und befand sich auch jetzt noch in einem Zustand den man bestenfalls als völlig aufgelöst beschreiben konnte. Ducky hatte immer wieder fassungslos den Kopf geschüttelt. Gibbs, der schon sehr lange mit dem Pathologen zusammenarbeitete, war äußerst beunruhigt, als er festgestellt hatte, dass bei einigen Passagen, die Ziva ihnen erzählte, die Augen des routinierten Mediziners nervös zuckten und er Mühe hatte, seine Gesichtszüge unter Kontrolle zu behalten. Seines Erachtens sprachen diese Reaktionen des Pathologen nicht für eine schnelle Genesung Tony´s. Hoffentlich bestand überhaupt eine Chance, dass Tony wieder vollends gesund würde. Er wusste nicht, was er ohne seinen Senior-Agent anfangen sollte. Auch wenn Tony sich oftmals wie ein kompletter Kindskopf verhielt – er vertraute ihm blind und er würde ihm jederzeit sein Leben anvertrauen.

 

Und Ziva? Wie würde sie es verkraften, falls Tony nicht mehr in den aktiven Dienst zurückkehren könnte? Gibbs räusperte sich laut und verabreichte zur Abwechslung mal sich selber gedanklich eine Kopfnuss. Solche Gedanken durfte er einfach nicht haben. Tony wurde gerade operiert und er würde wieder gesund werden. Punkt! McGee hatte ihm eben am Telefon berichtet, dass das Bethesda einen Spezialisten für die OP angefordert hatte. So kindisch sich das vielleicht auch anhörte – es musste einfach alles wieder gut werden. Er räusperte sich erneut und wandte sich dann an Eli David:

 

„Haben Sie schon eine Unterkunft für die Nacht?“

 

„Nein, noch nicht. Ich…“

 

„Ich könnte Ihnen mein Gästezimmer anbieten“, sagte Gibbs und hoffte gleichzeitig, dass Eli das Anerbieten, das im Grunde mehr eine Höflichkeitsfloskel war, ablehnte. Er konnte sich irgendwie nicht vorstellen, sich am nächsten Morgen mit Eli das Bad zu teilen und in seiner Küche beim Morgenkaffee auf den stellvertretenden Direktor des Mossad zu treffen.

 

„Nein, danke, ich denke, ich werde mir ein Hotel in der Gegend suchen.“

 

„Papa, du kannst auch mit zu uns kommen. Wir haben im Wohnzimmer ein Schlafsofa und…“

 

„Ziva, ich sagte, ich werde mir ein Hotelzimmer nehmen“, unterbrach Eli seine Tochter bestimmt und als er den betroffenen Gesichtsausdruck Ziva´s bemerkte, setzte er etwas sanfter hinzu: „Vielleicht kannst du mir ja eines empfehlen und mich gleich dorthin bringen.“

 

„Natürlich, Papa. Kein Problem. Wir werden schon etwas finden. Um diese Jahreszeit dürfte das keine Schwierigkeit sein“, antwortete Ziva reserviert.

 

„Gut.“ Eli wandte sich an Gibbs. „Was haben Sie jetzt vor?“

 

Jethro hatte schon den Telefonhörer in der Hand. „Ich werde noch ein paar Telefonate führen. Ich muss noch mit Fornell sprechen und außerdem brauchen wir dringend eine Ablösung für McGee im Krankenhaus.“ Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Und dann denke ich, sollten wir alle Schluss für heute machen und nach Hause gehen. Es war ein hartes Wochenende und wir brauchen alle etwas Schlaf. Nach Hause, Ziva, hast du das verstanden?“

 

„Aber ich wollte doch…“

 

„Sei vernünftig und geh´ schlafen. McGee meinte, der Arzt hat gesagt, die OP wird Stunden dauern. Vor morgen früh wird Tony sowieso nicht ansprechbar sein. Du musst etwas Kraft tanken. Auch für ihn“, setzte er bedeutungsvoll hinzu und diese letzte Bemerkung gab den Ausschlag.

 

„Okay“, antwortete Ziva leise. „Du hast Recht. Können wir schon einmal gehen?“

 

„Sicher. Ich brauche euch hier ni…“ In diesem Moment klingelte Gibbs´ Mobiltelefon. Einen Fluch murmelnd legte er knurrend den Festnetzhörer wieder zurück auf die Station und griff nach seinem Handy. „Gibbs.“ Er lauschte einen Moment lang und gab dann Ziva und ihrem Vater ein Zeichen, dass sie noch warten sollten. Je länger er seinem Gesprächspartner lauschte, desto grimmiger wurde sein Gesichtsausdruck. „Danke“, sagte er schließlich knapp. „Nein, nein, es war absolut richtig, uns anzurufen. Wir sind gleich da.“ Er klappte das Gerät zusammen und griff nach seiner Jacke. „Alarmstufe Rot. Wir müssen noch mal los.“

 

„Ist was mit Tony?“ Panik klang aus Ziva´s Stimme.

 

„Nein, das war einer von Rosens Nachbarn in der Colchester. Du weißt schon, ich hatte doch mit den Leuten gesprochen und ihnen meine Karte dagelassen. Jemand hat Licht in Rosens Wohnung gesehen und außerdem eine weibliche Person hinter der Gardine.“ Jethro ging schon mit großen Schritten in Richtung Aufzug. Eli David und Ziva setzten sich ebenfalls in Bewegung. „Abby, du rufst Fornell an. Sag ihm, er soll zwei Leute ins Krankenhaus schicken, um McGee abzulösen. Und Tim sagst du, sobald die Ablösung bei ihm ist, soll er so schnell wie möglich zu uns stoßen. Ich will ihn dabei haben. Kann sein, dass wir ihn brauchen.“

 

 

22.40 Uhr – Colchester Nr. 107 – Wohnung von Alex Portsmith

 

Verdammt! War das Sirenengeheul gewesen, das sie dort draußen gerade eben gehört hatte? Zwar in einiger Entfernung, doch… Den Fleischklopfer in der Hand rannte Rebekka zurück ins Schlafzimmer, von wo aus sie die Straße einsehen konnte. Es war nichts zu sehen und auch nichts mehr zu hören. Ruhig und verlassen, bis auf einen einzelnen Fußgänger, der mit seinem Hund Gassi ging, lag die Colchester Road vor ihren Augen. Doch Rebekka glaubte nicht daran, dass sie sich geirrt hatte. Natürlich konnten die Sirenen auch einen ganz anderen Einsatz verfolgen, aber sie hatte gelernt, sich auf ihren Instinkt zu verlassen. Und der schrie sie förmlich an, dass sie keine Zeit mehr hatte. Sie eilte zurück ins Badezimmer und ohne langes Zögern hieb sie mit dem Fleischklopfer immer wieder auf die betreffende Fliese der Duschtasse ein. Nach ein paar Schlägen hatte sie ihr Ziel erreicht und die Fliese zersprang und bröckelte aus der Verfugung. Wie eine Irre schlug Rebekka immer weiter zu, bis das Loch groß genug war, dass sie mit der Hand problemlos hineingreifen konnte und dabei gleichzeitig ihren Arm in der Öffnung drehen konnte, um so eine größere Zugriffsfläche zu haben.

 

Sie tastete, fühlte und fingerte in der Öffnung herum und wollte schon fast aufgeben, da…Da war doch etwas. Mühsam quetschte sie ihren Arm noch ein Stück weiter hinein, drehte ihn so weit sie konnte nach rechts und ertastete eine kleine Plastiktüte, die offenbar mit doppelseitigem Klebeband innen an einer anderen Fliese befestigt war. Gott, Aaron war kräftiger gewesen als sie – wie hatte er es bloß geschafft, das Teil dort so anzubringen? Kaum hatte sie den Gedanken zu Ende gedacht, da wusste sie auch schon die Lösung: Aaron hatte alle Zeit der Welt gehabt und außerdem war bei ihm die Öffnung deutlich größer gewesen, da die Fliese natürlich, als er daran gearbeitet hatte, komplett herausgelöst war. Verbissen bemühte sie sich ihren Daumen und wenigstens einen Finger in eine Position zu bringen, die es ihr erlaubte, die Tüte zu packen und abzureißen. Endlich! Hektisch riss sie ihren Arm zurück und fügte sich dabei eine böse Schramme am Unterarm zu, aber das war ihr egal. Sie setzte sich auf den Badezimmerboden und betrachtete mit leuchtenden Augen den Inhalt der Tüte. Zwei silbern glänzende Schlüssel, die ihr in diesem Moment vorkamen, als seien sie der größte Schatz, den das Universum ihr bieten konnte.

 

Rebekka kostete ihren Triumph nur kurz aus. Die Zeit drängte. Ihr Instinkt übernahm nach dem Adrenalinstoß, den der Fund der Schlüssel bei ihr ausgelöst hatte, wieder die Kontrolle über ihr Denken und Handeln. Sie erhob sich und verstaute ihren kostbaren Fund in den Tiefen ihrer Hosentasche. Auf gar keinen Fall durfte sie diese verlieren. Wieder ging sie eilends zurück ins Schlafzimmer und schob die Gardine beiseite. Shit! Sie hatte es doch geahnt! Gerade stürmte dieser grauhaarige Agent zusammen mit Ziva und Eli David durch das Eingangstor der Wohnanlage. Mit großen Schritten näherten sie sich schnell an. Sie würde es nicht mehr nach draußen schaffen – soviel war klar. Und auf diese Entfernung zu schießen, erschien ihr zu riskant. Außerdem konnte sie unmöglich alle drei erwischen. Die Israelin dachte kurz nach und rannte dann schnell aus der Wohnung in das Treppenhaus. Dort nahm sie auf leisen Sohlen den Weg nach oben…


Kapitel 37

22.45 Uhr – Alex Portsmith´s Wohnung – Vor der Wohnanlage

 

Zügig, jedoch ohne die Deckung zu vernachlässigen, bewegten sich Gibbs, Ziva und Eli auf den Eingang zu Colchester Nr. 107 zu. Gibbs klingelte bei dem Mieter, der ihn angerufen hatte und gleich darauf ertönte der Summer, der die Tür öffnete. Alle drei hatten ihre Waffen im Anschlag und schauten sich im Hausflur um.

 

„Ziva, du nimmst die Treppe. Direktor, wir beide fahren mit dem Aufzug. Ziva, pass auf dich auf, hörst du? Du hast keine Rückendeckung. Ich will nicht, dass du ein Risiko eingehst.“

 

„Schon klar.“ Ziva bewegte sich bereits auf die Tür zu, die ins Treppenhaus führte.

 

„Ziva!“ Die dunkle Stimme ihres Vaters ließ die Dunkelhaarige innehalten und sich umdrehen.

 

„Gibbs hat Recht. Rebekka Rivkin ist brandgefährlich.“

 

„Als ob ich das nicht wüsste“, fauchte Ziva.

 

„Ich will nicht, dass dir etwas passiert. Ich bin hergekommen, um dir zu helfen und…“

 

„Papa, später, okay? Jetzt schnappen wir sie uns erst einmal. Danach kannst du mir sagen, was du mir sagen willst – wenn du mir dann noch etwas zu sagen hast.“ Sie hatte in ihrer Muttersprache gesprochen und warf ihrem Vater einen letzten bedeutungsschwangeren Blick zu, bevor sie im Treppenhaus verschwand.

 

„Eli?“ Gibbs stand in der Lichtschranke des Aufzugs und trommelte ungeduldig mit den Fingern an dessen Zwischentür.

 

Direktor David gab sich einen Ruck und folgte Jethro in den Aufzug. Der konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Israeli lieber seiner Tochter gefolgt wäre. Im 4. Stock angekommen verließen beide Männer sich gegenseitig Rückendeckung gebend die Kabine und traten in den Flur hinaus. Alles schien ruhig zu sein. Ziva war offenbar noch nicht oben angekommen.

 

Als sie die Wohnungstür von Rosen/Portsmith erreicht hatten, stellten sie fest, dass diese offen war. Mit hochgezogenen Augenbrauen drehte Gibbs sich um. Eli David bedeutete ihm durch ein leichtes Nicken, dass er bereit war und der Teamleiter stieß die Tür mit der Waffe ganz auf. Alles blieb ruhig und so trat er schließlich ein. Inzwischen hatte auch Ziva den 4. Stock erreicht und stieß zu ihnen. Die drei betraten die Wohnung, alle Sinne angespannt und aufs äußerste wachsam. Doch schon nach kurzer Zeit mussten sie feststellen, dass sie zu spät waren.

 

„Verdammt!“, fluchte Gibbs und blickte sich enttäuscht um. „Diese Frau ist…sie ist…“

 

„Clever?“, half Eli David bereitwillig aus, der eine gewisse Genugtuung darüber, dass die ehemalige Mossad-Agentin den Amerikanern zuvorgekommen war, nicht ganz verbergen konnte. Immerhin sprach diese Tatsache für die perfekte Ausbildung, die seine Behörde ihren Agenten angedeihen ließ.

 

„Sie muss uns gesehen haben. Ich glaube nicht, dass sie schon lange weg ist.“

 

„Wahrscheinlich hat sie diese verfluchten Sirenen gehört und ist misstrauisch geworden. Dieser blödsinnige Polizeieinsatz hat uns alles kaputt gemacht“, klagte Ziva enttäuscht.

 

„Das konnten die doch nicht wissen“, meinte Gibbs, der nicht minder enttäuscht war. Er hatte wirklich gehofft, dass sie den Polizisten, die zu einem Einsatz wegen familiärer Gewalt unterwegs gewesen waren, noch rechtzeitig Einhalt geboten hatten. Offensichtlich ein Trugschluss.

 

Ziva stiefelte wie ein gereizter Tiger durch die Wohnung, in der Hoffnung, irgendetwas zu finden, dass ihnen einen Hinweis auf den Aufenthaltsort von Rebekka Rivkin gab. Im Badezimmer machte sie schließlich Halt. „Hey, kommt her. Das müsst ihr euch ansehen.“

 

„Sieht aus, als hätte sie etwas gesucht“, meinte Gibbs.

 

„Und gefunden, vermute ich“, setzte Eli David trocken hinzu.

 

„Was könnte das sein?“

 

Gerade als Ziva diese Frage in den Raum stellte, fielen draußen auf dem Gelände Schüsse! Eine Schrecksekunde lang blickten sich die drei an und dann setzten sie sich fast zeitgleich in Bewegung.

 

***********

 

Nachdem Ziva das Treppenhaus im 4. Stockwerk verlassen hatte, schlich Rebekka lautlos und schnell die Stufen herunter und sah zu, dass sie so schnell wie möglich das Erdgeschoss erreichte. Sie verschwendete keinen Gedanken mehr an die drei Agenten, die sie in diesem Augenblick in Aarons Wohnung suchten, sondern sah stattdessen zu, dass die Entfernung zwischen ihnen und ihr möglichst schnell größer wurde. Sie schritt durch das Tor der Wohnanlage und hatte den Wagen schon so gut wie erreicht, als sie plötzlich eine Stimme hinter sich hörte.

 

„Halt! Stehenbleiben! Keinen Schritt weiter! Und nehmen Sie die Hände hoch!“

 

Wie von einer Tarantel gestochen fuhr Rebekka herum und wollte auf denjenigen schießen, der es wagte, sich ihr in den Weg zu stellen. Ohne zu zögern legte McGee an und schoss. Zum genauen Zielen hatte ihm die Zeit gefehlt, doch ein kurzer Schmerzensschrei verriet ihm, dass er getroffen hatte. Allerdings wäre Rebekka nicht Rebekka, wenn sie sich durch ein solches Ärgernis aufhalten ließe. Sie hob ihre Waffe und geistesgegenwärtig warf sich McGee hinter einen am Straßenrand geparkten Wagen in Deckung. Diese Chance nutzte Rebekka und sprang in ihren geklauten Wagen, startete und gab Vollgas. Mit durchdrehenden Reifen entfernte sich der Wagen. Als McGee das hörte, sprang er mitten auf die Straße, umfasste seine Waffe mit beiden Händen und streckte die Arme durch. Der Wagen war zwar schon ein ganzes Stück entfernt, doch er wollte nichts unversucht lassen. In kurzer Folge feuerte er sein ganzes Magazin leer, doch außer der Tatsache, dass der Fluchtwagen ins Schlingern geriet und dabei noch einen geparkten Wagen streifte, erreichte er nichts. Kurz darauf musste er tatenlos mit ansehen, wie Rebekka den Wagen um eine Kurve zwang und verschwand. Enttäuscht ließ er die Arme sinken und ging langsam zurück auf den Bürgersteig. Scheiße! Er war so dicht dran gewesen!

 

„McGee?“

 

Oh Gott, wie sollte er das bloß Gibbs beibringen? Viel Zeit, sich etwas zu überlegen hatte er nicht, denn als er den Kopf wandte, sah er seinen Boss, Ziva und ihren Vater auf sich zukommen.

 

„Tim, alles in Ordnung?“, fragte Ziva besorgt.

 

„Nein, verdammt! Siehst du hier eine Gefangene? Das Miststück ist mir entwischt“, gestand er schließlich kleinlaut. „Aber ich glaube, ich habe sie am Arm getroffen – ach ja, und ein hinteres Bremslicht. Das Linke.“

 

„Sie hat ein Auto?“, hakte Gibbs sofort ein. „Was für eins?“

 

„Genau kann ich es nicht sagen. Die Beleuchtung war ausgeschaltet und an der Stelle, wo sie parkte, war keine Laterne. Es war ein dunkler Kleinwagen – wahrscheinlich ein Toyota Corolla oder ein ähnlicher Typ.“

 

„Kennzeichen?“

 

Tim schüttelte mit dem Kopf. „Zu dunkel.“

 

„Verdammt!“

 

„Ich weiß, Boss. Es tut mir leid, aber es ging alles so schnell. Fornell kreuzte mit einem Kollegen im Krankenhaus auf und meinte, ich solle mich so schnell wie möglich hierhin auf den Weg machen. Ich meine, dass wusste ich ja schon, weil Abby mich angerufen hat, aber das Fornell mich persönlich ablösen kommt, hat mich schon ein wenig überrascht. Gerade, als ich hier aus meinem Wagen stieg, bemerkte ich Rebekka, wie sie aus dem Tor kam und zu dem Auto rannte. Ich habe sie angerufen, sie solle stehenbleiben und da wollte sie sofort das Feuer auf mich eröffnen. Ich konnte nur noch reagieren und dann musste ich selber in Deckung gehen. Gott, es tut mir so leid.“ Tim war immer noch untröstlich.

 

„Schon gut“, sagte Gibbs versöhnlich, der sich gut vorstellen konnte, was in seinem Agent gerade vorging. „Gibt´s was Neues von Tony?“

 

„Nein, er wird immer noch operiert. Bis ich fuhr, scheint aber alles glatt gelaufen zu sein. Man wollte mir Bescheid geben, falls es Komplikationen gibt.“

 

Der Teamleiter fuhr sich mit der Hand durch die Haare und steckte dann seine Waffe ins Schulterholster zurück. „Machen wir Schluss für heute“, sagte er müde. „Es reicht. Ihr könnt gehen. Ich kümmere mich noch darum, dass die Spurensicherung die Wohnung auseinandernimmt und dann werde ich auch heimfahren. Wir treffen uns morgen um acht im Büro. Ziva, wenn du willst, kannst du selbstverständlich zuerst im Krankenhaus vorbeifahren. Aber später brauche ich dich dann im Büro, okay?“

 

„Okay. Danke, Gibbs.“

 

„Nun geht schon – wir sehen uns. Gute Nacht.“

 

Kapitel 38

00.31 Uhr – Bethesda-Hospital 


Es war schon nach Mitternacht, als Ziva das Krankenhaus verließ und mit einem Taxi nach Hause fuhr. Sie hatte Tim vor einer Stunde heimgeschickt, er hatte wahrlich genug Zeit im Krankenhaus verbracht und benötigte, wie sie alle, dringend seinen Schlaf. Wie Gibbs schon vermutet hatte, konnte sie nichts tun. Die Operation dauerte noch an und man konnte auch nicht genau sagen, wann diese beendet sein würde. Eine Zeit lang hatte die Nachtschwester Ziva beobachtet, die zusammengesunken auf einem Stuhl vor dem OP wartete und der man schon von weitem ansah, dass sie am Rande ihrer Kräfte war. Sie war an an Ziva vorbeigegangen und hatte den OP-Vorraum betreten. Nach wenigen Minuten kam sie zurück und sprach die Israelin an.

„Normalerweise sehen es die Ärzte nicht gerne, wenn man während einer OP nachfragt, aber ich kenne den Assistenzarzt recht gut … er hat mir versichert, dass alles gut läuft. Der Patient ist stabil, aber die OP wird sicher noch ein bis zwei Stunden dauern und danach wird er bestimmt einige Zeit schlafen. - Möchten sie nicht auch schlafen gehen? Sie können ihm nicht helfen, wenn sie hier zusammenklappen.“ Mitleidig sah die Schwester Ziva an, die langsam aufstand.

„Ich danke ihnen … das war wirklich sehr nett von ihnen“.

Die Schwester legte ihre Hand auf Ziva´s Unterarm und drückte diesen aufmunternd, dann kehrte sie in das Schwesternzimmer zurück.

Ziva war hin und her gerissen. Einerseits wollte sie bleiben, Tony so nahe wie möglich sein, andererseits war sie vollkommen groggy und die nette Schwester hatte wohl Recht – hier vor dem OP noch umzukippen, würde nichts verbessern. Schließlich warf sie noch einen letzten Blick auf die OP-Tür, hinter der sie Tony wusste, dann setzte sie sich langsam in Bewegung und ging Richtung Ausgang.

 

 

Montag

 

7.45 Uhr – NCIS Hauptquartier

 

Seit 6.30 Uhr war Gibbs schon wieder im Hauptquartier und studierte die Notizen, die er sich von Zivas Aussage gemacht hatte. Zudem lag bereits der Bericht der Spurensicherung auf seinem Schreibtisch. Die Jungs hatten eine Nachtschicht eingelegt, die Wohnung akribisch durchsucht, alle Hinweise eingetütet und zu Abby´s Labor gebracht. Anschließend hatten sie noch ihren Bericht verfasst, den Jethro jetzt zur Hand nahm. Er nahm einen großen Schluck aus dem Becher, den er sich mitgebracht hatte. Er konnte die belebende Wirkung des Kaffees weiß Gott brauchen. Er hatte geschlafen wie ein Toter, die letzten Tage hatten ihn doch mehr gezeichnet, als er es sich zugestehen wollte. Aber die wenigen Stunden Schlaf mussten einfach ausreichen, zu viel Arbeit lag noch vor ihm. Die Suche nach Rebekka, Aarons Verhör und Tony …

 

Ziva würde heute Morgen nochmals ihren Freund im Bethesda besuchen, aber auch ihn ließ der Wunsch einfach nicht los, sich ins Auto zu setzen und ins Krankenhaus zu fahren, um sich persönlich ein Bild vom Zustand seines besten Agents zu machen. Doch das musste er sich vorläufig leider noch versagen, einen Anruf hingegen genehmigte er sich jedoch, er wusste genau, andernfalls würde er sich doch nicht konzentrieren können. Nach kurzem Läuten erklang die Stimme einer Krankenschwester am Telefon.

 

„Ich möchte mich nach dem Befinden von Special Agent Anthony DiNozzo erkundigen, der gestern Abend bei Ihnen eingeliefert wurde“, brummte er gewohnt wortkarg ohne einen Gruß ins Telefon.

 

„Sind Sie ein Angehöriger?“, kam daraufhin die obligatorische Frage, die er so abgrundtief hasste. Er war Tony´s Boss, aber auch sein väterlicher Freund, sein Kollege, der sich Sorgen machte, der unbedingt wissen wollte, ob es seinem Agent gut ging. Gewiss, er war kein Angehöriger im gesetzlichen Sinne, aber er war mehr Vater für DiNozzo als dessen Eigener es je gewesen war. In gewissem Sinne gehörte er zu Tony und Tony gehörte zu ihm und zu seinem Team. Sie waren einfach eine verschworene Gemeinschaft – eine Familie. Jethro hatte definitiv jetzt keinen Nerv, sich mit der Schwester auseinanderzusetzen, ihr klarzumachen, dass er wissen musste, wie es um DiNozzo stand - mit ihr zu debattieren, ob er informiert werden durfte, also antwortete er schlicht und ohne Umschweife nur kurz mit: „Ja!“.

 

Die Schwester zögerte nur kurz: „Ich verbinde sie mit dem zuständigen Arzt.“ Gleich darauf war ein Knacken in der Leitung zu hören und eine Stimme, die sich müde anhörte, meldete sich: „Dr. Forster“.

 

„Special Agent Gibbs, ich bin der Vorgesetzte von Agent DiNozzo … und sein Freund, ein sehr guter Freund, wenn Sie verstehen… Ich möchte mich erkundigen, wie es ihm geht!“ Innerlich wappnete sich Jethro bereits darauf, mit dem Arzt einen Kampf auszufechten, damit der ihm die gewünschten Informationen geben würde, aber überraschenderweise antwortete ihm dieser bereits nach einer kurzen Bedenkpause.

 

„Es geht ihm den Umständen entsprechend. Prof. Stern hat ihn fast vier Stunden lang operiert. Der Arm und die Hand waren schlimm verletzt, aber Prof. Stern ist eine Koryphäe und auch wenn es sicher einige Zeit dauern wird, so sollte doch alles wieder vollkommen ausheilen. Evtl. wird noch eine Nachoperation nötig, das muss sich erst zeigen. Alle anderen Verletzungen, die Platzwunden und Bisse haben wir versorgt, allerdings hat er eine schwere Lungenentzündung, die uns leider bei der ja bekannten Vorschädigung im Moment doch einige Sorgen bereitet.“

 

„Was soll das heißen, einige Sorgen?“, fragte Gibbs alarmiert dazwischen.

 

„Nun … er hat Blut gespuckt, was auf eine massive Schädigung hinweist. Er wollte zwar auf keinen Fall ins künstliche Koma versetzt werden, aber wir mussten uns über seinen Wunsch hinwegsetzen. Es war unerlässlich. Sein Körper muss einfach zur Ruhe kommen. Er bekommt jetzt starke Antibiotika und wir mussten ihn intubieren, da auch seine Luftröhre und der Kehlkopf durch die ...“ Dr. Forster schien nach den richtigen Worten zu suchen „... die Strangulationen in Mitleidenschaft gezogen sind. Übermorgen hoffen wir, ihn aufwecken zu können. Immerhin ist sein Zustand derzeit stabil. Ich denke, nach allem, was er durchgemacht hat, müssen wir damit mehr als zufrieden sein.“

 

Jethro atmete tief durch. Immer wieder Tony! Und schon wieder seine Lungen! Zu Dr. Forster sagte er: „Danke Doktor - ach, noch eine Frage. Warten die beiden FBI-Beamten noch vor Agent DiNozzo´s Zimmer?“

 

„Ja, ich komme gerade aus seinem Zimmer und die beiden sitzen noch davor.“

 

„Dieselben wie gestern Abend?“

 

„Ja, ein älterer Mann mit schütterem Haar und ein junger Beamter.“

 

„Danke.“ Damit legte Jethro auf. Fornell saß also tatsächlich immer noch vor Tony´s Zimmer, um ihn zu beschützen. Vielleicht sollte er sich bei Gelegenheit doch mal bei ihm bedanken. Kein schöner Gedanke, aber durchaus angebracht… Gibbs seufzte tief und wandte sich schließlich wieder seinen Akten zu. Tony schwebte wohl nicht in akuter Lebensgefahr und das ermöglichte es ihm, sich wieder konzentriert mit dem Fall zu beschäftigen.

 

McGee war um 7.30 Uhr im Hauptquartier erschienen. Er wirkte zwar immer noch müde, stellte Gibbs bei einem raschen Blick zu seinem Computer-Crack fest, aber knapp sieben Stunden Schlaf mussten auch für ihn reichen, solange Rebekka noch auf freiem Fuß war. Mehr war einfach nicht drin! Er bemerkte McGee´s fragenden Blick, nickte kurz und sagte: „Keine Sorge, er ist außer Lebensgefahr.“ Dr. Forster hatte es zwar längst nicht so klar formuliert, aber Gibbs wollte einfach glauben, dass die Worte des Arztes letztendlich dies bedeuteten. Tim nickte erleichtert, strich sich kurz durch die Haare und wandte sich dann wieder seiner Tastatur zu.

 

Eli David war auch bereits seit einer Stunde anwesend und hatte sich an Ziva´s Platz gesetzt. Er blätterte in einer Akte, die Jethro für ihn hatte zusammenstellen lassen. Darin waren ihre ganzen bisherigen Ermittlungsergebnisse zusammengefasst. „Wann wollen Sie eigentlich diesen Rosen weiter verhören?“, fragte er in diesem Moment den Chefermittler.

 

„Jetzt!“ Knapper hätte die Antwort von Gibbs kaum ausfallen können, als er sich auch schon erhob, um zum Verhörraum zu gehen.

 

„Ich will dabei sein!“ Eli stellte sich dem Grauhaarigen in den Weg, dabei kreuzten sich ihre Blicke. Schweigend starrten sie sich einige Sekunden lang an, wobei keiner von beiden bereit war, nachzugeben. Eli David konnte ein genauso harter Knochen sein wie Gibbs und er schien fest entschlossen, es ihm zu beweisen.

 

„Ich bestimme, wie vorgegangen wird, das ist Ihnen hoffentlich klar?“ Jethro tarnte seine Aussage als Frage, obwohl beiden natürlich klar war, dass es sich um eine feststehende Tatsache handelte. Doch Eli gab sich damit zufrieden, ein Gerangel um Macht oder Kompetenzen nützte zu diesem Zeitpunkt keinem von ihnen. Mit einem wortlosen Nicken signalisierte er seine Zustimmung.

 

„McGee, komm mit – du beobachtest!“. Damit machten sie die drei so ungleichen Männer auf zum zweiten Verhör von Aaron Rosen.

 

 

7.50 Uhr – Ziva´s Besuch bei Tony

 

Obwohl sich Ziva nicht hatte vorstellen können, dass sie vor Sorge um Tony auch nur eine Minute Schlaf finden würde, hatte die totale Erschöpfung nach den Anstrengungen der vergangen zwei Tage ihren Tribut gefordert. Kaum hatte sie irgendwann nach Mitternacht endlich ihren Kopf auf ihr Kissen gebettet, war sie auch schon eingeschlafen. Ihre Hand, die schon auf dem Weg gewesen war, sich Tony´s Kissen heranzuholen, um noch ein wenig seinen Duft einzuatmen und von ihm zu träumen, erschlaffte auf halbem Weg und blieb schließlich regungslos auf seinem Kopfkissen liegen. Ohne sich auch nur ein einziges Mal zu bewegen, schlief sie tief und traumlos, ehe der Wecker sie am nächsten Morgen erbarmungslos in die Realität zurückholte.

 

Ziva benötigte einen Moment, bis sie das Geräusch zuordnen konnte. Ruckartig setzte sie sich auf und blickte sich hektisch um. Doch nach einer Schrecksekunde realisierte sie, dass sie sich nicht mehr in dem feuchten, kalten Keller befand. Langsam entspannte sie sich wieder und ließ hörbar die Luft aus ihren Lungen entweichen, die sie unbewusst angehalten hatte. „Tony!“ schoss es ihr in diesem Moment durch den Kopf. Sie sprang aus dem Bett und eilte ins Bad. In Rekordzeit hatte sie geduscht und band sich das nasse Haar trotz der Kälte nur rasch zu einem Pferdeschwanz zusammen. Sie wollte jetzt nur noch so schnell wie möglich zu ihrem Geliebten.

 

Nur mit Mühe konnte sie dem Drang widerstehen, schon vorher in der Klinik anzurufen, um sich nach dem Befinden ihres Freundes zu erkundigen. Nein, die paar Minuten würde sie es jetzt auch noch aushalten. Sie musste sich einfach mit eigenen Augen davon überzeugen, wie es Tony ging.

 

Ziva schlüpfte so hastig in eine Jeans, dass sie fast gestürzt wäre und im Stolpern fegte sie einen silbernen Bilderrahmen vom Schreibtisch im Wohnzimmer. Klirrend zerbrach das Glas auf den alten Holzdielen und zu allem Überfluss trat sie auch noch in eine Scherbe. Das war zu viel für sie. Sie sank zu Boden und griff mit zitternden Händen nach dem kaputten Rahmen. Tränenblind schaute sie auf das Foto, das Tony und sie in einer glücklichen Umarmung am Strand zeigte. Im Spätsommer hatten sie sich nach Tony´s endgültiger Genesung ein paar Tage Urlaub gegönnt und sie hatte plötzlich das beklemmende Gefühl, dass sie vielleicht nie wieder so glücklich sein würden wie damals. Gleich darauf rief sie sich energisch zur Ordnung. Das war Blödsinn: Sie phantasierte sich hier totalen Quatsch zusammen. Sogar in diesem grausamen Keller hatte es immerhin einige glückliche Momente gegeben. Tony hatte ihr die schönste Liebeserklärung der Welt gemacht und – noch viel, viel wichtiger – sie waren verlobt. Na ja, irgendwie. So gut wie… Auf jeden Fall verlobt! Ringe konnten sie sich schließlich auch später noch besorgen. Gott, wenn ihr jemand vor ein paar Jahren prophezeit hätte, dass sie einmal einem Amerikaner ein Eheversprechen geben würde, sie hätte denjenigen wahrscheinlich mit bloßen Händen erwürgt. Wie auch immer… Anthony DiNozzo und sie würden heiraten – sobald er wieder richtig auf den Beinen war, würden sie eine Traumhochzeit feiern. Mit all´ ihren Freunden – ihrer Familie. Basta! Und jeder, der es wagen sollte, ihnen dabei in die Quere zu kommen, würde es mit ihr zu tun bekommen. Soviel stand mal fest!

 

Nach einigen Minuten, in denen sie bewegungslos auf dem Boden gekauert hatte, kam langsam wieder Leben in sie. `Dumme Kuh, sitzt hier auf der Erde rum, anstatt zu Tony zu fahren´ schalt sie sich selbst, rappelte sich hoch und ging zurück ins Bad, um die Schnittwunde unter ihrem Fuß zu verarzten. Es wurde wirklich Zeit, dass sie endlich zu Tony kam. Sie wollte keine wertvolle Sekunde der Zeit mit Tony vergeuden, aber später musste sie sich schließlich auch noch um Rebekka kümmern! Sie wünschte sich im Augenblick wirklich, an zwei Orten gleichzeitig sein zu können: Bei Tony, den sie am liebsten keinen Moment mehr aus den Augen lassen würde, und andererseits wollte sie um keinen Preis der Welt die weiteren Ermittlungen verpassen. Bei Gott, sie wollte unbedingt dabei sein, wenn dieses Weibsstück gefasst wurde, und dann würde sie… Zehn Minuten später verließ sie die gemeinsame Wohnung, die ohne ihren Lebensgefährten so leer und traurig wirkte und machte sich auf den Weg ins Bethesda Hospital.

 

Als Ziva nach einem ihrer üblichen Höllenritte in der Klinik angekommen war, eilte sie unverzüglich zur Intensivstation, ließ sich von einer Schwester die für diesen Ort übliche Schutzkleidung aushändigen – und war schließlich auf´s höchste erstaunt, als sie Tobias Fornell einsam vor Tony´s Zimmertür auf einem unbequemen Holzstuhl sitzend antraf. Sie wusste ja, dass er bei ihrer Rettung geholfen hatte, aber dass er immer noch hier saß und als Tony´s persönliche Leibwache fungierte, wunderte sie doch sehr. Als er sie näherkommen hörte, hob er den Kopf und blickte sie aus müden, rot geränderten Augen an.

 

„Agent David.“ Fornell stand auf und reichte Ziva die Hand. „Guten Morgen.“

 

Ziva drückte die Hand des FBI-Mannes und linste dabei schon über seine Schulter zur Tür. „Was ist mit Tony? Wie geht es ihm?“

 

„Gehen Sie rein und sehen Sie selbst nach ihm. Aber bitte…erschrecken Sie nicht. Die Ärzte sagen, es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Es müsste auch gleich wieder jemand kommen, um nach ihm zu sehen.“

 

Fornell wirkte verunsichert. So hatte Ziva den FBI-Mann bisher selten erlebt und sein Verhalten machte sie ausgesprochen nervös. „Es ist doch alles in Ordnung mit Tony?“, vergewisserte sie sich angstvoll. „Sie würden es mir doch sagen, wenn etwas nicht stimmt, nicht wahr.“ Mit ihrem berühmten Ziva-David-Blick, der schon so manchen Verbrecher beim Verhör eingeschüchtert hatte, schaute sie Fornell ins Gesicht und registrierte erleichtert, dass er ihren Blick offen erwiderte und nicht auswich. Seine darauffolgenden Worte bestätigten ihre Annahme.

 

„DiNozzo ist ein harter Hund! Härter als er es oft durchscheinen lässt. Ehrlich, ich weiß nicht, ob ich das, was er in diesem Keller durchmachen musste, überstanden hätte, aber die Ärzte sind zuversichtlich, dass er es schaffen wird. Sie können stolz auf ihn sein.“

 

Ziva fasste Fornell ungewohnt sanft am Ellbogen und lächelte zum ersten Mal seit…keine Ahnung, sie wusste nicht mehr, wann sie zum letzten Mal gelächelt hatte; es war auch nicht wichtig: „Das bin ich! Danke! Ich danke Ihnen wirklich sehr. Für Ihre Unterstützung in dieser Sache, dafür, dass Sie hier die ganze Nacht gewacht haben. Für alles! Ich weiß, Sie hätten das nicht tun müssen.“

 

„Das weiß ich auch, aber es war mir ein Bedürfnis“, antwortete Fornell. „Außerdem war ich ja nicht alleine. Ich habe bloß eben den Kollegen in unsere Zentrale geschickt, damit er sich um meine Ablösung und den Plan für die weitere Rundum-Überwachung kümmern kann. Machen Sie sich keine Sorgen – das wird schon alles wieder“, schloss er ein wenig verlegen, wie es schien.

 

„Wissen Sie, ob es etwas Neues von Rebekka gibt?“, erkundigte Ziva sich gespannt.

 

„Soweit ich weiß, ist sie immer noch auf der Flucht. Aber nun gehen Sie schon zu Tony. Ich schätze, Gibbs lässt Ihnen nicht allzu viel Zeit. Er erwartet Sie doch bestimmt gleich noch im Büro, oder?“

 

Ziva nickte lächelnd und wandte sich ab. Sie griff nach der Türklinke, holte einmal tief Luft und betrat schließlich mit bangem Herzen Tony´s Krankenzimmer. Im nächsten Augenblick war sie froh, dass sie alleine in dem Zimmer war, denn Tony´s Anblick erschreckte sie doch mehr, als sie vermutet hatte. Totenbleich und mit geschlossenen Augen lag er ruhig im Bett. Die unnatürliche Blässe wurde noch zusätzlich hervorgehoben durch die zahlreichen Blutergüsse und Striemen, die sein Gesicht, den Halsbereich und seine Brust verunstalteten. Sein offenbar nackter Oberkörper wurde bis zu den Schultern von einer Decke verhüllt, doch seine Arme und Hände lagen rechts und links gerade neben dem Körper auf der Decke ausgestreckt. Seine operierte Hand war dick verbunden und der gebrochene Arm in einer Schiene mit Schrauben fest fixiert. Die Platzwunde an der Schläfe hatte man genäht und seine linke Gesichtshälfte war schwer angeschwollen. Die Schwellungen nahmen bereits abenteuerliche Färbungen an und der Bluterguss an seinem Auge schillerte fast schwarzblau. Aus seinem Mund ragte der weiße Beatmungsschlauch, der in die Maschine führte, die im Moment für Tony das Atmen übernahm.

 

Das monotone Piepsen und Rauschen machte Ziva schon jetzt wahnsinnig und sie wusste genau, dass es Tony ebenfalls so gehen würde, wenn er wach wäre. Am allerschlimmsten aber waren für die Ziva die überdeutlichen Strangulationsspuren, die an Tony´s Hals zu sehen waren. Sie waren nicht verbunden und eine dicke Schicht Salbe sollte Linderung und Heilung bringen, doch das würde wohl – wie alles andere – auch noch eine Weile dauern. Erschüttert zog sie sich einen Stuhl heran, setzte sich und griff vorsichtig nach Tony´s gesunder Hand. Gedankenverloren strich sie mit ihren Fingern über seinen Handrücken.

 

„Oh, mein Gott, Tony“, flüsterte sie leise. „Warum bist du nur immer derjenige, den es erwischt. Es tut mir so leid.“ Nur am Rande bemerkte sie, wie ihr schon wieder das Wasser in die Augen trat, doch sie schämte sich ihrer Tränen nicht. Sie hatte ihn fast verloren, sie konnte und wollte ihre Gefühle nicht mehr verleugnen, selbst wenn ihr das als Schwäche ausgelegt werden sollte. Und es war noch nicht ausgestanden. Das durfte sie nicht vergessen…Keine Sekunde durfte sie das vergessen! Solange Rebekka Rivkin auf freiem Fuß war, schwebte Tony in allergrößter Gefahr, denn diese Frau war unbelehrbar. Sie würde nicht aufgeben! Aber sie, Ziva David, auch nicht!

 

Die Tür öffnete sich und ein Arzt im weißen Kittel trat ins Zimmer. Ziva stand auf und ging dem Mann entgegen.

 

„Guten Morgen, ich nehme an, Sie sind …“

 

„Ziva David. Ich bin seine Verlobte.“ Ziva stutzte kurz, überrascht über sich selbst, wie leicht ihr das über die Lippen gekommen war. Doch sofort konzentrierte sie sich wieder auf das Wesentliche. „Warum wird er nicht wach? Ich habe ihn angefasst – mit ihm gesprochen, aber er zeigt keinerlei Reaktion.“

 

„Wir haben ihn in ein künstliches Koma versetzt. Machen Sie sich keine…“

 

„WAS? Hat Ihnen denn niemand gesagt, dass…“ Sie sprach zwar leise und brachte ihre Worte fast zischend hervor, doch die Empörung war Ziva deutlich anzuhören.

 

„Miss David, beruhigen Sie sich. Bitte. Kommen Sie, wir gehen kurz vor die Tür. Dort werde ich Ihnen alles erklären.“

 

Ziva warf einen Blick über die Schulter zurück auf Tony´s Krankenlager und seufzte tief. Dann folgte sie dem Arzt vor die Tür. „Also?“ Fragend ruhte ihr Blick auf dem Gesicht des Mannes.

 

„Ich bin Dr. Forster. Ich kenne die Vorgeschichte von Agent DiNozzo und weiß Bescheid. Aber glauben Sie mir, wir hatten keine andere Wahl, wenn wir seinen Zustand nicht gefährden wollen. Es wird nicht lange dauern – maximal zwei oder drei Tage, dann sehen wir weiter. Wir müssen seinem Körper einfach eine Phase der absoluten Ruhe gönnen, wenn wir den Genesungsprozess nicht gefährden wollen. Ich versichere Ihnen, wenn alles so bleibt, wie es derzeit ist, brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.“

 

„Das heißt, er wird wieder völlig gesund werden?“, hakte Ziva sofort ein. „Es wird nichts zurückbleiben und er wird wieder ganz normal seine Arbeit verrichten können?“

 

Dr. Forster neigte den Kopf zur Seite und lächelte leicht. „Sie wollen ein 100 % von mir, Miss David. Glauben Sie mir, ich verstehe das, aber noch kann ich Ihnen das nicht geben. Leider, ich wünschte, ich könnte es, aber es gibt immer noch zu viele Unsicherheitsfaktoren. Es kann noch einiges schief gehen und vor allen Dingen müssen wir erst einmal abwarten, wie es aussieht, wenn wir ihn aufgeweckt haben. Agent DiNozzo wird überleben! Das ist das einzige, was ich Ihnen derzeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen kann. Alles Weitere wird seine Zeit brauchen und Ihr Verlobter wird viel Geduld aufbringen und mitarbeiten müssen.“

 

„Oh, das wird er“, unterbrach Ziva Dr. Forster. „Das kann ich Ihnen versichern. Tony wird alles tun, was nötig ist. Sie müssen wissen, er ist ein sehr starker Charakter. Wenn er etwas wirklich will, dann setzt er das auch durch. Und er will gesund werden. Er will wieder arbeiten. Da bin ich ganz sicher!“

 

„Das ist gut“, antwortete Dr. Forster ernst. „Seine Hand … verstehen Sie, es sind Nerven, Gefäße und Gelenke verletzt ... ich fürchte, die Reha-Maßnahmen werden ihn an die Grenze seiner Geduld bringen und bis seine Feinmotorik wieder da ist, wo sie vor diesen Verletzungen war, wird es gewiss eine lange Zeit des Trainings brauchen. Er wird einen sehr starken Willen und viel Durchhaltevermögen brauchen, wenn er wirklich wieder ganz gesund werden will. Und er wird Hilfe brauchen. Ihre Hilfe!“

 

„Natürlich werde ich ihm zur Seite stehen.“ Ziva starrte den Arzt entrüstet an. Wie konnte der Mann nur etwas anderes annehmen? „Wir alle werden ihm helfen. Wir…unser Team… wir sind wie eine Familie.“

 

Dr. Forster´s Pager macht sich bemerkbar. Er zog ihn aus der Kitteltasche und warf einen kurzen Blick darauf. „Entschuldigung“, sagte er kurz darauf bedauernd. „Komplikationen im OP. Ich muss…“

 

„Gut, ich verstehe.“ Ziva nickte verstehend. „Sie werden uns informieren, wenn sich Veränderungen ergeben?“

 

„Natürlich. Ich werde außerdem die Oberschwester anweisen, dass man Ihnen und Special Agent Gibbs alle erdenklichen Auskünfte gibt und alle Fragen beantwortet. Wird es nötig sein, dass die Wachposten auf dem Gang verblei…“

 

„JA!“ Dr. Forster hatte kaum ausgesprochen, da fiel Ziva ihm schon ins Wort. „Unbedingt! Die Gefahr ist noch nicht gebannt. Niemand, der nicht zu unserem Team gehört, darf zu ihm gelassen werden. Und ich verlange, dass sich auch nur ausgesuchtes Personal um ihn kümmert.“

 

„Verstehe. Ich werde alles Nötige in die Wege leiten. Aber jetzt muss ich wirklich…“

 

Dr. Forster drückte Ziva noch einmal kurz die Hand und machte sich mit langen Schritten auf den Weg. Er konnte nicht ahnen, dass ihn die Komplikationen im OP länger beschäftigen würden, als erwartet...

 

Die Israelin blickte dem Mann noch kurz hinterher und warf dann Fornell einen zweifelnden Blick zu. Der hob nur die Augenbrauen und zuckte mit den Schultern. Ziva seufzte und ging daraufhin noch einmal zu Tony. Der lag unverändert in seinem Krankenlager und die Maschine beatmete ihn in rhythmischen Abständen. Dieses Mal setzte Ziva sich vorsichtig auf den Bettrand. Unendlich zärtlich streichelte sie mit den Fingern über seine Wange. Sie spürte seine rauen Bartstoppeln unter den Fingern und seufzte abermals tief, bevor sie sich vorbeugte und ihn so sanft wie möglich auf die aufgesprungenen, spröden Lippen küsste.

 

„Mach´s gut, ich muss los, mein Schatz. Ich verlass´ mich darauf, dass du keinen Blödsinn anstellst. Denk´ immer dran: Wir beide haben noch viel vor.“ Sie machte eine Pause und beobachtete intensiv sein Gesicht, ob sich nicht doch noch eine Regung zeigte. Aber nichts! Völlig unbewegt blieben seine Gesichtszüge, die sie so oft mit nur einem leichten Augenzwinkern zum Lachen gebracht hatten. Es zerriss ihr förmlich das Herz und wieder legte sie sanft ihre Handfläche auf seine Wange in der stillen Hoffnung, dass er sich automatisch anschmiegte, wie er es schon so oft getan hatte. „Wir kriegen sie…das schwöre ich dir“, flüsterte sie leise. „Und dann…dann wird alles wieder gut. Ruh´ dich nur aus…wir machen das schon. Wir haben Aaron und er wird uns zu Rebekka führen. Gibbs wird ihn knacken. Und…und wenn wir sie erst haben, dann…“ Ihre Stimme versagte und sie verharrte für einen Moment in stummer Verzweiflung. Dann gab sie sich einen Ruck und stand entschlossen auf. „Ich komme wieder, so schnell ich kann, versprochen.“ Sie warf noch einen letzten Blick auf Tony, bevor sie schließlich mit festen Schritten sein Zimmer verließ.

 

Wie bereits vermutet, brauche ich schon wieder einen neuen Thread. Einfach folgen...

 

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