Außer Kontrolle - Thread VI

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35. Kapitel - Doch ein Date ???

Frank wollte Toni keine Chance geben, es sich womöglich noch wieder anders zu überlegen. Also griff er schnell nach ihrer Hand und zog sie wortlos hinter sich her in das Lokal hinein. Er wählte einen Tisch in der Nähe des Einganges und setzte sich so, dass er alles, was vor dem auf breiter Fläche offenen Eingangsbereich des Lokals vor sich ging, beobachten konnte. Das hat Nick mir beigebracht, schoss es ihm unwillkürlich durch den Kopf. Immer die Umgebung im Auge behalten, um im Notfall schnell einen Fluchtweg parat zu haben. An dem Abend, als er Toni und die Band im EKZ gesehen hatte, hatte er diese Devise sträflich außer Acht gelassen. Nur dadurch war er in diese fast ausweglose Situation geraten. Gott sei Dank war damals noch einmal alles gut gegangen. Nicht auszudenken, wenn die Security oder die Bullen ihn an dem Abend geschnappt hätten. Dann säße er jetzt garantiert nicht so entspannt mit Toni hier.

 

„Woran denkst du?“, wollte Toni wissen, die sich ihm gegenüber mit dem Rücken zum Ausgang gesetzt hatte.

 

„An alte Zeiten“, antwortete er ehrlich.

 

„Du vermisst deine Clique also doch “, stellte Toni fest. Schwang da ein Hauch Traurigkeit in ihrer Stimme mit?

 

„Nein, nicht wirklich“, sagte Frank und lehnte sich zurück. „Lass uns das Thema wechseln, okay? Ich mag jetzt nicht darüber reden. – Hey, weißt du, dass du manchmal ganz schön kompliziert sein kannst?“

 

„Ich?“ Toni wirkte überrascht. „Findest du? Warum?“

 

„Hm … ich schätze, das weißt du ganz genau.“

 

Das breite Lächeln, das seine blauen Augen strahlen ließ, fuhr Toni in alle Glieder. „Genug jetzt, ich will es gar nicht wissen“, sagte sie forsch und verschanzte sich flugs hinter der Speisekarte. „Gibt es etwas, das du nicht magst?“, erkundigte sie sich gleich darauf, während sie seitlich hinter der Karte hervor in seine Richtung linste und feststellen musste, dass Frank sie immer noch grinsend im Visier hatte. „Was ist los? – Stimmt was nicht?“, erkundigte sie sich, während sie sich insgeheim darüber ärgerte, dass er es immer wieder schaffte, sie zu verunsichern.

 

Frank beugte sich vor und legte die Unterarme auf den Tisch. „Nö. Alles okay. Wenn ich jetzt noch was zu beißen kriege, geht es mir geradezu prächtig. – Ich habe mich nur gerade gefragt, ob wir jetzt doch ein Date haben? Ich meine, wir verbringen unsere Pause – mal wieder – gemeinsam. Sitzen hier sogar in einer Pizzeria und wollen zusammen essen. Das ist doch …“

 

„Ich denke du hast Hunger“, unterbrach Toni seinen Redefluss. Wenn sie die plötzliche Wärme in ihrem Gesicht richtig deutete, lief sie schon wieder rot an. Wie peinlich. „Was ist denn nun?“, setzte sie ein wenig schroff hinzu.

 

Franks Grinsen wurde breiter, während er sich wieder bequem zurücklehnte. In diesem Augenblick fühlte er sich so wohl, wie schon lange nicht mehr. Trotzdem beschloss er, Tonis offensichtliches Ablenkungsmanöver zu ignorieren, um sie nicht noch mehr in Verlegenheit zu bringen. „Such einfach was aus. Ich esse alles.“

 

Toni vertiefte sich in die Speisekarte und Frank beobachtete ruhig die Passanten, die in Scharen an dem Lokal vorbeiströmten. Dabei genoss er das Gefühl, sich um nichts Sorgen machen zu müssen. Außer vielleicht, dass Nick und sein Gefolge ihn hier mit Toni sitzen sahen. Das wäre nicht so gut, aber die Wahrscheinlichkeit war um diese Tageszeit doch eher gering. Entspann dich, Mann, mahnte er sich. Genieße einfach den Augenblick. Plötzlich stutzte er. Vor dem Lokal machte sich eine Gruppe Teenager auf einer der Bänke breit, die im Mittelgang rund um einen kleinen Springbrunnen zum Ausruhen einluden. Einige der Kids setzten sich auf die Rückenlehne und stellten ihre Füße auf der Sitzfläche ab. Die Jungs taten alles, um vor den Mädchen, die sie begleiteten, möglichst cool rüberzukommen. Frank erkannte den Jungen, der gerade seine Bierflasche anhob, um irgendeinen blöden Trinkspruch vom Stapel zu lassen, sofort. Es war Daniel, Tonis jüngerer Bruder. In diesem Augenblick entdeckte auch Daniel ihn, oder vielleicht auch Toni, die zwar mit dem Rücken zu ihm saß, aber trotzdem für ihren Bruder leicht zu erkennen sein dürfte. Daniels Augen weiteren sich entsetzt und mit einem großen Satz sprang er von der Bank. Er drehte sich mit dem Rücken zum Lokal, und begann, seinen Freunden hektisch etwas zu erklären. Dabei ruderte er so stark mit den Armen, dass dabei die Flüssigkeit aus dem Hals seiner Bierflasche schwappte. Daraufhin setzte die Truppe sich eilig in Bewegung und war gleich darauf wieder aus Franks Blickfeld verschwunden. Er atmete erleichtert auf und war für den Moment erst einmal froh, dass Toni nichts von der kleinen Szene vor der Pizzeria mitbekommen hatte. Er wusste nicht, was er von der Sache halten sollte. Vielleicht war es ja eine einmalige Geschichte gewesen und die Tatsache, dass er um ein Haar erwischt worden wäre, war für Daniel ein heilsamer Schock. Vielleicht aber auch nicht, und dann, so viel war sicher, tat sich für Toni und Mike über kurz oder lang ein neues Problem auf.

 

„Hey.“ Toni wedelte mit der Karte vor Franks Gesicht herum. „Was ist los? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.“

 

„Was?“ Frank fuhr zusammen und beschloss später über das Gesehene nachzudenken. „Nein, Quatsch. Was ist denn nun? Hast du was gefunden? Mein Magen ist not amused und wenn ich ihn nicht bald besänftige kann ich für nichts garantieren.“

 

„Ist Salami okay?“

 

„Wow, und für diese exotische Wahl brauchst du beinahe eine Viertelstunde?“, schmunzelte ihr Gegenüber, während er insgeheim `Gott sei Dank´ dachte.

 

„Ich …“

 

„Hey, lass gut sein. War nur ein Scherz. Natürlich ist Salami okay.“ Frank winkte der Kellnerin und bestellte.

 

Während sie auf das Essen warteten, gingen sie wie zuvor besprochen noch einmal ihre Notizen durch und entschieden endgültig, was sie nach dem Essen kaufen wollten.

 

„Da bleibt ja noch ganz schön was übrig“, bemerkte Frank zufrieden, nachdem er die Summen, die sie ausgeben mussten, kurz im Kopf überschlagen hatte. „Wir sind richtig gut, was?“

 

„Na ja“, meinte Toni. „Freu dich mal nicht zu früh. Wir brauchen trotzdem noch `ne Menge Zeugs für deine 3 Bäume. Einiges war kaputt und wir sind uns ja wohl einig, dass wir Romans Einkäufe von letztem Mal geflissentlich links liegen lassen. Wenn wir Glück haben, kommen wir gerade so aus.“

 

„Trotzdem sind wir gut“, beharrte Frank. „Überleg bloß mal, was wir hier gleich alles rausschleppen. Und der Baumschmuck dürfte eigentlich kein Problem darstellen. Ich hab´ doch gesagt, ich kann was organisieren. Nächste Woche bringe ich das Zeug mit.“ Er hatte bereits mit seiner Mutter gesprochen. Da im Hotel die Dekorationsarbeiten für die Adventszeit bereits erledigt waren, hatte Frau Baumann nichts dagegen einzuwenden gehabt, dass Frank einiges von den restlichen Sachen leihweise mit ins Altenheim nahm. „Ende der Woche wird man das Heim nicht wieder erkennen“, prophezeite er im Brustton der Überzeugung.

 

Toni lächelte und machte der Kellnerin Platz, die ihre Pizza, wie bestellt, mit zwei Tellern brachte. Sie beobachtete wie Frank nach dem Besteck griff und sich ans Teilen machte. Dabei stellte sie zu ihrer eigenen Überraschung fest, dass sie zumindest vor sich selber bereit war zuzugeben, dass Frank großen Anteil daran hatte, dass sie gerade so gute Laune hatte. „Du bist schon ein komischer Kauz“, stellte sie fest. „Ich hätte echt nicht gedacht, dass sich hinter deinem coolen Outfit ein Weihnachtsfreak verbirgt. Schon mal in Erwägung gezogen, bei der Feier den Nikolaus zu spielen“, neckte sie dann.

 

Frank verzog das Gesicht und legte Toni ihre Pizzahälfte auf den Teller. „Das hättest du wohl gerne. Nur, wenn du den Knecht Ruprecht gibst.“

 

„Vergiss es“, wehrte Toni lachend ab.

 

„Gerne.“  Frank prostete ihr mit seiner Cola zu und grinste. „Schön, dass wir das geklärt haben.“

 

„Weißt du, ich finde, du machst das wirklich gut. Ich meine alles, nicht nur die Feier“, sagte Toni nun kauend. „Was hast du eigentlich nach deinen Sozialstunden vor?“ Sie hatte die Frage bewusst beiläufig gestellt, doch nun wartete sie mit klopfendem Herzen auf seine Antwort.

 

„Keine Ahnung. Wer weiß vielleicht werde ich ja Innenausstatter für Weihnachtsfeiern. Ist zwar nur ein Saisonjob, aber he, immerhin besser als nichts, was meinst du?“ Tonis Gesichtsausdruck ließ ihn leise auflachen. „Nein, im Ernst, das entscheide ich, wenn es soweit ist. Ich weiß ja noch gar nicht so genau, wann ich aus der Nummer raus komme. Wenn wir noch öfters als Feuerwehr einspringen müssen, kann es natürlich schnell gehen, ansonsten dauert es eben länger.“ Er zuckte mit den Schultern.

 

Hoffentlich länger, dachte Toni. Laut sagte sie: „Und du hast wirklich keine Vorstellung – nicht die geringste Idee?“

 

„Vielleicht packe ich ja doch noch mein Abi, wer weiß? Dann könnte ich das ganze Chaos hier hinter mir lassen und irgendwo, wo mich keiner kennt, neu anfangen. `Ne Ausbildung machen – für ein Studium wird es wohl kaum reichen.“

 

„Die alten Leute werden dich vermissen“, platzte Toni heraus. „Sie mögen dich.“

 

„So?“ Frank steckte sich den letzten Bissen in den Mund, legte dann bedächtig sein Besteck beiseite und blickte auf. „Und was ist mit dir?“, fragte er mit gedämpfter Stimme.

 

Toni spürte, wie sie einmal mehr rot anlief und wich seinen forschenden Blicken aus. „Was soll mit mir sein? Ich mache meine Ausbildung zu Ende, werde hoffentlich übernommen und kümmere mich zusammen mit Mike um die Kleinen.“ Hastig trank sie einen Schluck Cola und verschluckte sich prompt. Sie hustete, bis ihr die Tränen in die Augen traten und wedelte sich mit einer Hand Luft zu. Gott, wie peinlich. Warum hatte sie bloß davon angefangen? Nachdem sie sich beruhigt hatte, bemerkte sie, dass Frank sie immer noch eindringlich musterte. Ruckartig erhob sie sich. „Ich verschwinde mal kurz für kleine Mädchen.“

 

Schnell wollte sie an Frank vorbei in Richtung Toiletten gehen, doch er griff reaktionsschnell nach ihrem Handgelenk und hielt sie fest.

 

„Hey“, protestierte sie schwach und blieb mit herunterhängenden Armen stehen. „Was soll das?“

 

„Das meinte ich nicht“, antwortete Frank nun sehr leise. „Und das weißt du sehr gut.“ Als Toni daraufhin schwieg, fuhr er fort: „Toni, du kannst nicht immer davonlaufen, wenn es kompliziert wird. Ich will doch nur eine ehrliche Antwort. Wirst du mich auch vermissen?“

 

Toni holte tief Luft und befreite sich von seiner Hand. Dann zwang sie sich dazu, Frank direkt ins Gesicht zu sehen. „Natürlich“, sagte sie ruhig. „Wir sind doch ein gutes Team, oder vielleicht nicht?“ Sie erwartete keine Antwort, sondern rettete sich in Richtung Waschraum.

 

„Na warte“, flüsterte Frank leise vor sich hin. „Aber immerhin, das war wenigstens mal ein Anfang.“ Er zahlte und bat die Kellnerin, Toni auszurichten, dass er draußen auf sie warten würde. Für den Moment hatte er sie genug unter Druck gesetzt. Das Letzte, was er wollte war, dass sie komplett dicht machte. Als sie kurz darauf aus dem Lokal trat und sich suchend nach ihm umblickte, ging er auf sie zu, als sei nichts gewesen. „Los geht´s“, sagte er vielleicht eine Spur zu burschikos. „Endspurt. Ich hab´ dem General versprochen, heute noch `ne Partie Schach mit ihm zu spielen. Was ist? Was schaust du denn so?“

 

„Du bist in letzter Zeit häufig beim General“, stellte Toni fest.

 

„Na und? Immer erst nach Ende unserer Schichten. Da kann keiner meckern.“

 

„Ich weiß, aber … Was versprichst du dir davon?“, fragte Toni dann ohne Umschweife.

 

„Wovon? Mit dem General Schach zu spielen? Nichts“, antwortete Frank verständnislos. „Ich spiele eben gerne Schach und er auch. Was ist so ungewöhnlich daran?“

 

„Nichts, schon gut. Lass uns endlich anfangen. Sonst werden wir nie fertig hier.“

 

„Mann, im Ausweichen bist du wirklich Weltmeisterin“, maulte Frank unzufrieden und folgte Toni, die mit großen Schritten auf den Nanu Nana schräg gegenüber zusteuerte.

 

Eine Stunde später hatten sie alles erledigt und verließen voll bepackt mit Tüten das EKZ. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass Toni mit dem Bus nach Hause fuhr, während Frank, da er ja sowieso noch mit dem General verabredet war, ihre Beute, wie sie ihre Einkäufe scherzhaft nannten, alleine ins Heim bringen sollte.

 

„Bis morgen dann“, verabschiedete er sich mit einem Kopfnicken von Toni, da er beide Hände voll hatte.

 

„Bis morgen? Ich habe frei. Du nicht auch?“

 

„Doch, eben drum. Ich hab´ mit Mike telefoniert. Ich komm´ morgen vorbei und dann kümmern wir uns um euer Dach.“

 

„Oh, tja dann… sehen wir uns ja morgen“, antwortete Toni und hoffte, dass man ihr die Freude über diese Ankündigung nicht allzu sehr anmerkte. „Mach´s gut. Ich muss los, da kommt mein Bus.“

 

36. Kapitel - Ein Plan nimmt Gestalt an

Später am gleichen Abend war Frank auf dem Weg in die Küche des Hotels, um zu sehen, ob er beim Koch vielleicht noch etwas zu essen abstauben konnte. Die halbe Pizza am Nachmittag war eindeutig zu wenig gewesen und mittlerweile hing ihm der Magen auf den Knien. Falls es nichts Warmes mehr geben sollte, würde er rücksichtslos den Kühlschrank plündern. In der Eingangshalle begegnete ihm Dr. Becker, der ihm freundlich zuwinkte, bevor er sich in Richtung Ausgang wandte. Wahrscheinlich mal wieder ein wichtiger Termin mit meinem Alten, dachte Frank leicht verstimmt. Wegen der Auflagen für diese blöde Piano-Bar, die sein Vater direkt neben dem Hotel plante. Als kurz hintereinander zwei Läden in unmittelbarer Nähe des Hotels pleite gemacht hatten, hatte sein Vater diese kurzerhand gepachtet, um dort sein neuestes Projekt umzusetzen. Frank kümmerte sich zwar nicht darum, aber er hatte am Rande mitbekommen, dass Becker seinen Vater bei der Planung in Finanzierungsfragen beriet und sich für seinen Freund mit den Behörden auseinandersetzte.

 

Plötzlich blieb Frank wie angewurzelt stehen. Verdammt, das war es! Der Mann war die Lösung! Unvermittelt hatte er ganz klar vor Augen, wie er Toni und Mike helfen konnte, ohne selber in Erscheinung zu treten. Jetzt oder nie, dachte er, drehte auf der Stelle um und folgte Becker, der inzwischen den Ausgang schon fast erreicht hatte. Vergessen war sein Hunger! Das hier war jetzt erst einmal wichtiger!

 

„Dr. Becker? Haben Sie vielleicht einen Moment Zeit für mich?“

 

Becker drehte sich um und schaute Frank verwundert an. „Was ist los? Probleme?“

 

„Nein, nein …“ Innerlich verdrehte Frank die Augen. Natürlich vermutete Becker gleich wieder, dass es Probleme gab. Was sonst? „Keine Probleme. Aber ich möchte Sie etwas fragen.“

 

„Okay.“ Der Anwalt kam Frank entgegen und beide trafen sich in der Nähe der Rezeption. „Bitte. Immer raus damit.“

 

„Nein.“ Frank schüttelte den Kopf und blickte sich um. „Nicht hier. Können wir rüber in die Bar gehen und einen Kaffee zusammen trinken?“

 

„In Ordnung.“ Die Stimme des Älteren klang jetzt doch etwas verwundert. „Wie du willst.“

 

Becker setzte sich an einen der Tische, während Frank an der Bar zwei schwarze Kaffee orderte und sie gekonnt an den Tisch balancierte.

 

„Bitte.“ Er stellte die Tassen ab, setzte sich und starrte in seinen Kaffee, während er überlegte, wie er am besten anfangen sollte.

 

„Danke.“ Becker schaute ihn prüfend an. „Also? Ich muss gestehen, du hast mich neugierig gemacht. Was hast du auf dem Herzen? Ich hoffe, du brauchst mich nicht doch wieder beruflich?“

 

„Nein.“ Frank schaute hoch. „Es geht um Toni. Oder genauer gesagt, um ihre Familie.“

 

Becker hob eine Hand. „Frank, bitte. Du weißt doch, dass ich …“

 

„Ich weiß“, unterbrach ihn Frank schnell. „Schon gut, ich denke, dass ich inzwischen recht gut auf dem Laufenden bin, was die Schiffers angeht.“

 

Becker griff nach seiner Tasse, trank einen Schluck und lehnte sich dann zurück. „Dann weiß ich, ehrlich gesagt, nicht, was du von mir willst.“

 

„Die Piano-Bar“, platzte Frank heraus. „Sie wissen schon. Will mein Vater das Projekt immer noch aus dem Boden stampfen?“

 

Becker schmunzelte: „So würde ich das nicht gerade nennen. Aber warum fragst du deinen Vater nicht selber?“

 

„Ja oder Nein?“, fragte Frank ungeduldig. „Kommen Sie, reden Sie schon.“

 

„Ja, und die Pläne sind bereits sehr konkret. Die Pachtverträge sind unterschrieben und alles ist behördlich abgesegnet – alle erforderlichen Genehmigungen wurden erteilt. Nächste Woche beginnen die Umbauarbeiten und wenn alles gut geht und es keine Probleme gibt, wird die Bar in zwei Monaten eröffnet.“ Der Anwalt beugte sich interessiert vor. „Frank, ich versteh´ nicht ganz. Was haben die Pläne deines Vaters mit Tonis Familie zu tun?“

 

Auch Frank beugte sich nun nach vorn und blickte Becker fest in die Augen. „Ich meine, eine Piano-Bar braucht doch einen Pianisten, oder was denken Sie? Wissen Sie, ob mein alter Herr schon einen Pianisten engagiert hat?“

 

„Nein, ich denke nicht, aber …“ Beckers Augen weiteten sich, als plötzlich der Groschen bei ihm fiel. „Verdammt!, entfuhr es ihm. „Du meinst …“

 

Frank nickte heftig. „Genau, das meine ich. Für Toni und Mike wird das Alles zu viel. Die Arbeit, der Haushalt, die Kleinen. Es wächst ihnen über den Kopf, auch wenn sie es sich noch nicht eingestehen wollen. Und Herr Schiffer ist ein Pianist, der nicht mehr auf Tour gehen kann, aber dringend einen Job braucht. Hier bietet sich ihm einer, oder nicht? Ist der Mann gut?“, erkundigte er sich dann gespannt, in dem sicheren Bewusstsein, dass sein Vater sich nicht mit zweirangigem Personal zufrieden geben würde.

 

„Machst du Witze? Der Mann konnte sich früher vor Engagements nicht retten. Der hat Welttourneen gemacht. In allen großen und namhaften Häusern gespielt.“

 

Frank zuckte mit den Schultern. „Ich hab´s nicht so mit Klassik“, kommentierte er Beckers Erklärungen lapidar.

 

Becker dachte kurz nach. „Mensch, Frank“, sagte er dann. „Das ich nicht selber darauf gekommen bin. Deine Idee ist so einfach, wie genial. Wenn das klappt, werden die Leute hier nebenan den Laden stürmen. Und ich denke, nicht nur die Schiffers, auch das Hotel wird davon profitieren.“

 

„Darum geht´s mir nicht“, antwortete Frank kurz. „Sie wissen, dass er trinkt?“, fragte er dann leise.

 

„Ja“, gestand Becker. „Ich hab´s mitbekommen, als ich wegen Tonis Problemen in letzter Zeit ein paar Mal dort war. Aber ich glaube, so schlimm ist es noch nicht.“ Er verzog kurz das Gesicht. „Hoffe ich zumindest. Ich werde mit ihm reden. Weißt du, ihn hat das damals alles sehr mitgenommen. Der Unfall. Der Tod seiner Frau. Seine Behinderung. Das war alles ein bisschen viel und nicht einfach für ihn.“

 

„Tja, mag ja alles sein, aber ich finde, das ist keine Entschuldigung für sein Verhalten. Er hat immerhin Kinder. Eine Menge Kinder und für die war es auch nicht leicht. Ist es immer noch nicht. Ich finde, er macht es sich ein bisschen einfach, indem er seinen Frust auf dem Rücken von Toni und den anderen austrägt.“

 

Becker schwieg einen Moment. „Ich rede mit ihm“, wiederholte er dann schließlich. „Und du sprichst mit deinem Vater, okay? Ich bin sicher, dass wir …“

 

„Nein“, fiel Frank ihm schnell ins Wort. „Ich möchte, dass Sie das alles übernehmen.“

 

„Aber warum? Ich meine, es ist doch deine Idee. Und ganz ehrlich: Sie ist wirklich grandios.“

 

„Trotzdem …“, blieb Frank bei seinem Standpunkt. „Bitte. Ich will, dass Sie es allen als Ihre Idee verkaufen. Das ist eine Bedingung. Sonst – und das garantiere ich Ihnen – werde ich meinen Vater davon überzeugen, dass Herr Schiffer ein untragbarer Säufer ist, mit dem er zwangsläufig eine Bauchlandung erleben wird.“ Frank brachte seine Bedingung ganz ruhig vor, doch sein Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran, dass er es ernst meinte.

 

Becker schüttelte verständnislos mit dem Kopf. „Ich verstehe dich nicht.“

 

„Das müssen Sie auch nicht“, erklärte Frank mit fester Stimme. „Also, was ist? Haben wir einen Deal?“

 

„Von mir aus. Aber von einem Deal haben normalerweise beide Parteien etwas.“

 

Frank lächelte und stand auf. „Glauben Sie mir, Dr. Becker. Ich profitiere auch davon. Mehr, als Sie sich vorstellen können.“

 

„Okay.“ Becker erhob sich ebenfalls und kam um den Tisch herum. „Du kannst dich auf mich verlassen. Ich werde mich um alles kümmern.“

 

„So schnell wie möglich?“

 

„So schnell wie möglich.“

 

„Versprochen?“

 

„Versprochen.“ Dr. Becker warf Frank einen prüfenden Blick zu. „Es scheint dir ja wirklich viel daran zu liegen“, stellte er dann fest.

 

Frank griff nach seiner Tasse und trank den letzten Schluck Kaffee, bevor er Dr. Becker mit einem Lächeln seine Rechte hinhielt. „Danke“, sagte er leise. „Ich verlasse mich auf sie.“ Er drückte seinem Anwalt kurz die Hand, drehte sich um und verließ mit festen Schritten die Bar in dem sicheren Bewusstsein, dass der Mann mehr oder weniger verständnislos und verwirrt hinter ihm her blickte.

 

37. Kapitel - Klare Worte

Bester Laune klingelte Frank am nächsten Tag gegen Mittag bei Schiffers. Es war ein kalter, aber kein frostiger Tag. Und das Wichtigste: Es war trocken. Sogar die Sonne blinzelte hin und wieder zwischen den Wolken durch und Frank war ziemlich zuversichtlich, dass Mike und er die Dacharbeiten gut erledigt bekämen. Es ist schon fast unheimlich, wie reibungslos in letzter Zeit alles läuft, dachte er bei sich. Andererseits tat er ja auch eine Menge dafür. Nur die letzte heftige Auseinandersetzung mit Nick bereitete ihm noch Sorgen. Es war eigentlich nicht seine Art, dass der das Zerwürfnis mit Frank so anstandslos hinnahm. Nick verhielt sich seither bemerkenswert ruhig, doch Frank gab sich, was Nick betraf, keinerlei Illusionen hin. Nick war ein gefährlicher und skrupelloser Schweinehund. Sicher lauerte er nur auf eine Chance, sich an Frank zu rächen. Er musste aufpassen, doch das würde er. Und um Trixie würde er sich auch noch kümmern. Wie, das wusste er zwar noch nicht, doch ihm würde schon noch etwas einfallen, um der Freundin zu helfen. Er war sich sicher, dass auch Trixie genug von der Clique hatte und er würde tun, was in seiner Macht stand, um ihr da raus zu helfen. Jetzt hatte er aber erst einmal einen Tag Freizeit vor sich, den er, zumindest teilweise, mit Toni verbringen konnte. Darauf freute er sich und über alles andere würde er sich später den Kopf zerbrechen. Eins nach dem Anderen.

 

Frank klingelte zum zweiten Mal und hoffte, dass er sich nicht zu früh gefreut hatte. Endlich hörte er Schritte und gleich darauf wurde die Tür von Sarah aufgerissen, die ihn mit großen Augen anstarrte, bevor sie sich bewusst lässig mit der Hüfte am Türrahmen positionierte.

 

„Du schon wieder. Toni ist nicht da.“ Trotz ihrer eher ablehnenden Worte machte sich ein erfreutes Strahlen auf dem noch kindlichen Gesicht breit.

 

„Ich grüße dich auch, Krümel“, kommentierte Frank Sarahs lapidare Begrüßung breit grinsend. „Aber hey, weißt du was? Du bist auf dem falschen Dampfer, denn ich bin mit Mike verabredet.“

 

„Den Krümel kannst du dir schenken.“ Sarah richtete sich steif auf, stellte sich mitten in die Tür und blitzte Frank aufgebracht an. „Und Mike ist auch nicht da.“

 

Ihr Gegenüber war jetzt doch etwas enttäuscht. Anscheinend lief doch nicht alles so glatt und reibungslos, wie er sich das vorgestellt hatte. Wär ja auch zu schön gewesen. „Hey, tut mir leid“, antwortete er schnell beschwichtigend. „Ich schwöre, das wird nicht wieder vorkommen. Wann kommt Mike denn wieder?“

 

„Keine Ahnung“, antwortete Sarah kurz und machte Anstalten, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Anscheinend hatte er sie mit dem `Krümel´ tatsächlich schwer beleidigt.

 

„Warte“, erklang da hinter Sarah Daniels Stimme. „Mike hat doch extra gesagt, wenn Frank kommt, soll er hier auf ihn warten.“

 

Sichtlich widerstrebend öffnete Sarah die Tür und ließ Frank eintreten.

 

„Hallo“, begrüßte Frank Daniel, der in der offenen Küchentür stand und wie gebannt in Richtung Eingang starrte. „Danke, Kumpel.“

 

„Keine Ursache“, antwortete Daniel und wich dem direkten Blickkontakt mit Frank aus, indem er seine Schwester anblaffte: „Was sollte das? Du hast das doch auch gehört. Immerhin will er Mike helfen das Dach zu reparieren.“ Bei seinen letzten Worten nickte er mit dem Kopf in Franks Richtung.

 

Sarah streckte ihrem Bruder lediglich die Zunge raus und verschwand daraufhin wortlos nach oben.

 

„Zicke“, schickte Daniel ihr wütend hinterher, bevor er sich wieder Frank zuwandte, der immer noch in der offenen Tür stand. „Die beiden sind einkaufen“, erklärte er dann und blickte Frank sichtlich verunsichert an. „Sie sind aber schon `ne Weile weg, also müssten sie eigentlich bald wiederkommen. Denke ich“, schloss er, da ihm offenbar leise Zweifel kamen. „Wenn du willst, kannst du mit in die Küche kommen und da auf ihn warten.“

 

„Gerne“, erwiderte Frank und folgte Daniel in die Küche, wo der sich mit fast übertrieben wirkendem Eifer wieder über seine Hefte beugte, die er auf dem Tisch ausgebreitet hatte. Frank setzte sich dem Jungen gegenüber und erkundigte sich nach einem Moment des Schweigens. „Und? Alles paletti?“

 

„Klar“, antwortete Daniel und blickte zögerlich auf. „Was soll sein?“

 

Frank hatte ein Einsehen mit dem Jungen. „Hör zu“, sagte er. „Ich will nicht lange drum herumreden. Das ist nicht meine Art. Das, wobei ich dich gestern gesehen habe, ist weder besonders cool, noch hilfst du damit deinen Geschwistern. Im Gegenteil: Wenn dich dabei einer krallt, könnte der Schuss voll nach hinten losgehen und ihr bekommt noch mehr Schwierigkeiten. Schon mal drüber nachgedacht?“

 

„Das musst du grade sagen“, ging Daniel prompt in die Defensive. „Du hast doch selber `ne Menge Scheiße an der Backe.“

 

„Eben“, antwortete Frank ruhig. „Deshalb weiß ich ja auch ziemlich genau, wovon ich hier rede.“

 

Daniel schwieg betreten und senkte seinen Blick auf die Tischplatte.

 

„Willst du wirklich riskieren, dass man euch auseinanderreißt?“, fragte Frank eindringlich. „Das alles, wofür Mike und Toni schuften, für die Katz ist? Ihr seid immerhin eine Familie und ihr habt doch bis jetzt noch immer zusammengehalten, oder nicht?“

 

Daniels Kinn fiel auf seine schmale Brust. „Papa ist das egal“, sagte er gepresst. „Ihm ist alles egal! Er kümmert sich gar nicht mehr um uns. Ihm würde es doch noch nicht mal auffallen, wenn ich plötzlich weg wäre.“

 

„Oh, doch“, widersprach Frank bestimmt. „Ich bin sicher, das würde es. Dein Vater steckt im Moment in einer schlimmen Krise. Aber allein die Tatsache, dass ihr alle da seid, dass es euch gibt, hilft ihm schon. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Aber es darf keiner aus der Gemeinschaft ausbrechen, hörst du? In welcher Form auch immer. Irgendwann kommt der Punkt, da wird euer Vater merken, dass es so nicht weitergeht, und ab dann wird es besser werden.“ Er grinste schief. „Bei mir war es genauso. Ich geb´ ja zu, es hat `ne Weile gedauert, aber jetzt geht es langsam wieder aufwärts mit meinem Leben.“

 

„Aber wann?“, fragte Daniel kläglich und es hörte sich an, als kämpfte der Junge mittlerweile mit den Tränen. „Mama ist jetzt schon fast zwei Jahre tot. Wann kommt dieser Scheiß-Punkt, von dem du da sprichst, denn endlich? Wie lange dauert so was?“

 

„Ich weiß es nicht“, sagte Frank ehrlich und zuckte die Achseln. „Ich denke, bei dem einen macht es früher `Klick´, bei dem anderen später. Aber ich hoffe für euch alle, dass euer Vater bald an diesen Punkt kommt. Ehrlich.“ Frank bemerkte aus dem Augenwinkel eine Bewegung an der Tür und blickte in Mikes entsetztes Gesicht. Hau ab, weg, formte er lautlos mit den Lippen und blickte Mike beschwörend an. Gott sei Dank verstand Mike, was er von ihm wollte, und entfernte sich leise. Frank wiederum verließ sich nun darauf, dass Mike Toni von der Küche fernhielt. Er atmete erleichtert auf und tastete sich vorsichtig weiter vor. „Sag mal, war das …“ Verdammt, er war kein Therapeut, hoffentlich machte er hier jetzt keinen Fehler. „…war es gestern das erste Mal, dass du getrunken hast?“

 

„Ja … Na ja … fast“, antwortete Daniel nach einer Pause.

 

Frank lehnte sich vermeintlich entspannt zurück und strich sich durch die Haare. „Okay, ich verstehe. Trinkst du regelmäßig?“

 

„Nein.“ Daniel bemerkte Franks zweifelnden Blick und setzte eilig hinzu: „Ehrlich nicht. Nur … hin und wieder.“

 

„Okay, dass ist zwar nicht ganz das, was ich zu hören gehofft hatte, aber es ist immerhin besser als ein `Ja´. Pass auf, hör mir gut zu, wenn du mir versprichst, dass du dich ab jetzt zusammenreißt, dann bleibt das unter uns. Dann muss niemand etwas davon erfahren. In Ordnung?“

 

„Und … und wenn ich das nicht schaffe? Wenn ich auch erst an … an so einen Punkt kommen muss?“

 

„Machst du es dir da nicht ein bisschen einfach? Aber gut, hör zu, wenn es tatsächlich so sein sollte … wenn du das merken solltest, dann komm´ zu mir und dann werde ich mit deinem Vater reden. Und mit deinen Geschwistern. Ich werde dich damit nicht allein lassen. Okay? Ich will dein Wort darauf.“

 

„Ja, klar. Danke. Ähm … ich … ich geh´ dann mal nach oben, ja?“

 

„Sicher, du kannst machen, was du willst, aber bitte, denk´ drüber nach.“ Er riss ein Stück Papier aus einem von Daniels Heften, griff nach einem Stift und kritzelte seine Handynummer darauf. Den Zettel legte vor Daniels Nase ab. „Hier, ruf mich an, wenn du es für nötig hältst. Ich werd´ zu meinem Wort stehen.“

 

„Ja, ich … ich auch.“ Daniel raffte seine Siebensachen zusammen und floh förmlich aus der Küche. Frank seufzte tief und wartete noch einen Moment, bevor er schließlich aufstand und nach draußen ging. Zu blöd, dass er den Wagen nicht hatte kommen hören. Aber wer weiß, vielleicht auch nicht? Womöglich war es ja besser so.

 

„Hey“, begrüßte er Toni und Mike lässig, als er beim Wagen ankam. „Da seid ihr ja endlich. Kann ich helfen?“

 

„Das will ich meinen.“ Toni drückte ihm kurzerhand einen Kasten Wasser in die Hand. „Erstmal alles in den Keller. Bitte“, fügte sie nach einer kurzen Pause hinzu.

 

„Wenn du mich so nett bittest, kann ich dir einfach nicht widerstehen“, grinste Frank und verschwand wieder im Haus.

 

Mike schnappte sich einen zweiten Kasten von der Ladefläche. „Woher soll er denn wissen, wo es in den Keller geht. Du bist vielleicht gut“, rief er seiner Schwester über die Schulter zu, folgte Frank ins Haus und wies ihm den Weg in den Keller. „Erklärst du mir, was da eben los war?“, fragte er, kaum dass sie unten angekommen waren.

 

„Später“, sagte Frank, der Mikes Manöver von vorneherein durchschaut hatte. „Hab Geduld, okay.“

 

„Gut, aber nicht ewig, dass das klar ist“, antwortete Mike kurz nach einer Pause, während er ihn misstrauisch musterte.

 

„Schon klar. – Keine Panik, ich werde es dir schon sagen.“

 

„Davon geh´ ich aus!“

 

Nachdem die Jugendlichen gemeinsam den Wagen leer geräumt und die Einkäufe in Küche und Keller geräumt hatten, wendete sich Mike an seine Schwester.

 

„Den Rest schaffst du doch sicher alleine“, sagte er und streckte seinen Rücken durch. „Wenn wir nicht langsam aufs Dach gehen, brauchen wir gar nicht mehr anzufangen. Schließlich wird es früh dunkel. Komm“, forderte er Frank auf. „Das Zeug liegt in der Garage. Was ist? Brauchst du Arbeitsklamotten?“

 

„Nicht nötig.“ Frank wies auf seinen Rucksack, den er im Flur abgelegt hatte. „Ich hab´ alles dabei.“

 

38. Kapitel - Der Beginn einer Freundschaft ???

Nachdem Frank sich in der Garage umgezogen hatte, schafften Mike und er zunächst die von Mike auf einer Baustelle abgestaubten Dachpfannen auf das Dach und sicherten sie dort. Anschließen lösten sie die defekten Pfannen und brachten sie hinunter. Nachdem sie an einigen Stellen noch neue Folie zur Abdichtung sowie Dämmmaterial angebracht hatten, waren die beiden jungen Männer endlich soweit, die neuen Dachpfannen auflegen zu können. Anschließend machten sie sich noch daran, die restliche Dachfläche und die Regenrinne gründlich zu säubern. Als sie fast fertig waren, brach, obwohl sie zügig und ohne Pause gearbeitet hatten, schon die Dämmerung herein. Rittlings saßen sie sich auf dem First des Walmdaches gegenüber und legten gerade sorgfältig das Werkzeug zusammen, als Mike plötzlich innehielt und Frank intensiv fixierte.

 

„Du bist ein guter Arbeiter“, sagte er schließlich etwas nachdenklich.

 

Frank sah überrascht auf und strich sich die Haare zurück. „Danke. Wie komme ich zu der Ehre?“

 

„Ehre, wem Ehre gebührt.“ Mike schien noch etwas sagen zu wollen, brach aber ab und blickte stattdessen sein Gegenüber schweigend an.

 

Frank grinste schließlich schief und nickte verständnisvoll. „Also gut, also gut. Du willst unbedingt wissen, was ich eben mit Daniel beredet habe, richtig?“

 

„Ich denke, das meiste habe ich gehört. Ich mochte es eben nur nicht wahrhaben. Aber es ist wahr, richtig? Er trinkt?“

 

„Was soll ich sagen?“ Frank zuckte mit den Schultern. „Ich hab´ ihn gestern zufällig gesehen, als Toni und ich die Weihnachtseinkäufe für das Altenheim erledigt haben.“

 

„Was? Toni weiß davon?“, fragte Mike entsetzt.

 

„Nein, keine Panik, ich sagte doch, dass ich ihn gesehen habe. Toni hat nichts davon mitbekommen und ich hielt es für besser, nicht die Pferde scheu zu machen. Ich wollte erst versuchen, selbst mit Daniel zu reden.“

 

„Gott sei Dank“, antwortete Mike erleichtert. „Tonis Nervenkostüm ist zurzeit nämlich ziemlich dünn, aber das weißt du ja vermutlich.“

 

„Das kannst du wohl besser beurteilen, als ich“, sagte Frank trocken. „Mir ging es in erster Linie erstmal um Daniel. Und ich denke, es wäre besser, wenn du ihn damit in Ruhe lässt. Um genau zu sein, ich habe ihm mein Wort gegeben, das ich dichthalte, wenn er den Scheiß in Zukunft sein lässt. Es wäre wohl eher kontraproduktiv, wenn du jetzt `ne Welle schlägst und ich dadurch komplett unglaubwürdig rüber käme.

 

„Glaubst du, dass er dazu noch in der Lage ist? Wie lange trinkt er schon? Kann er überhaupt noch so einfach aufhören? Außerdem … der Knackpunkt ist doch, will er das?“

 

„Na ja, er hat ziemlich schockiert und erschrocken reagiert, als ich ihn darauf angesprochen habe. Ich hab´ ihm meine Nummer gegeben und ihm gesagt, dass er mich jederzeit anrufen kann.“

 

„Danke, das ist nett von dir, aber meinst du wirklich, dass er dich auch anrufen wird?“, fragte Mike zweifelnd.

 

„Ich hoffe es. – Aber du hast recht, wahrscheinlich ist es besser, wenn wir ihn unauffällig im Auge behalten.“

 

„Wir?“

 

„Nun, wenn die anderen, insbesondere Toni, nichts davon erfahren sollen, bleiben wohl nur wir beide, richtig? Und ich bin der Einzige, der dies sogar offen tun kann. Wenn du dich vor ihn hinstellt und sagst `Hey, kleiner Bruder, hauch mich mal an´, wäre das – wie gesagt – nicht gerade subtil. Wenn dir irgendwas in der Art rausrutschen sollte, dann vertraut Daniel noch nicht mal mehr mir. Ich glaube, im Moment bringt er mir noch so `ne Art falscher Heldenverehrung entgegen. Wegen meiner Vorgeschichte und so. Irgendwie will er mir wohl imponieren. Das könnte unsere Trumpfkarte sein.“

 

„Okay, mag sein, aber was passiert, wenn du wieder Scheiße bauen solltest? Ziehst du Daniel dann mit runter? Versteh´ mich nicht falsch, aber um deinen Vorschlag zu unterstützen, müsste ich dir vertrauen und entschuldige bitte, ich kenn´ dich doch kaum.“

 

Frank lächelte ein wenig bitter. „Allerdings, das müsstest du. Aber okay, wenn das für dich ein Haken ist …“ Er zuckte mit den Achseln. „Ich kann´s nicht ändern. – Ich wollte es wenigstens versucht haben.“

 

Nach einer etwas peinlichen Pause, fragte Mike völlig unvermittelt: „Was läuft da zwischen dir und Toni?“

 

Franks Augen blitzten überrascht auf. „Wow, was für ein Themenwechsel“, reagierte er vorsichtig abwartend.

 

„Findest du? Kann ich nicht sagen.“ In Mikes Stimme lag plötzlich eine gewisse Schärfe. „Du willst doch, dass ich dir vertraue, oder?“

 

„Hey, ich habe dich nicht darum gebeten“, antwortete Frank knapp. „Ich habe dir lediglich angeboten, mir zu vertrauen. – Das ist ein Unterschied – findest du nicht?“

 

Mike zuckte mit den Schultern. „Was ist? Krieg´ ich nun eine Antwort, oder nicht? “

 

„Was meinst du?“, versuchte Frank ein wenig Zeit zu gewinnen. „Was soll da laufen?“

 

„Du weißt genau, was ich meine“, zischte Mike jetzt ganz offensichtlich ungehalten. „Verdammt noch mal, ich mach´ mir Sorgen um meine Schwester.“

 

„Wegen mir?“ Frank lachte kurz auf. „Das ist unnötig, da kann ich dich beruhigen.“

 

„Ich bin mir da nicht so sicher. Toni mag dich.“

 

„Vermutest du.“

 

„Nein, verdammte Scheiße! Ich kenne meine Schwester. Ich weiß, was ich sehe! Und ich weiß noch sehr gut, wie sie nach der Trennung von Paul gelitten hat.“

 

„Paul? Der aus der Band?“ Frank zog verblüfft die Augenbrauen hoch. „Die beiden waren mal ein Paar? Wann?“

 

„Lenk nicht ab.“

 

„Mike.“ Frank klang eindeutig schwer genervt. „Was soll das? Ich bin nicht mal mit Toni zusammen und du sprichst hier von Trennung? Findest du das nicht selber ein bisschen … voreilig?“

 

„Ich will nur nicht, dass du ihr wehtust.“

 

„Sag mal, hörst du dir eigentlich zu?“, fuhr Frank wütend auf. „Du sitzt hier und rätst mir, die Finger von deiner Schwester zu lassen, richtig? Sprich es doch wenigstens klar aus und eiere nicht so drum herum! Verdammt, meinst du nicht, Toni ist in der Lage, selbst zu entscheiden, was sie will? Wenn du schon zu mir kein Vertrauen hast, dann vertrau´ doch wenigstens deiner Schwester oder kannst du das auch nicht? Für wen zum Teufel hältst du dich?“

 

Mike blickte Frank ernst an. „Ich bitte dich nur, nichts anzufangen, was du nicht ernsthaft vor hast durchzuziehen. Das hat sie nicht verdient.“

 

„Oh, wow, da sind wir ja mal einer Meinung. Hör zu, ich habe nicht vor, Toni zu verletzen. Das ist echt das Letzte, was ich möchte.“ Frank machte eine Pause. „Aber ich kann es dir nicht versprechen. Glaub mir, ich wünschte, ich könnte es.“ Er ließ seinen Worten eine resignierte Handbewegung folgen.

 

„Darf ich daraus schließen, dass du durchaus interessierst bist?“, konstatierte Mike trocken.

 

„Mike, bitte. In meinem Leben herrscht im Moment ein solches Chaos; ich weiß ja selbst noch nicht, wie es mit mir weitergeht. Eine Beziehung anzufangen steht da nicht gerade ganz oben auf meiner To-do-Liste. Andererseits …?“ Er brach ab und seufzte tief. „Mann, ich wollte, ich könnte dir dieses Versprechen geben, aber es geht nicht.“

 

„Schon gut“, sagte Mike. „Schon gut. Reg dich ab.“

 

„Vielleicht sollten wir deiner Schwester ja beide etwas mehr zutrauen, meinst du nicht?“, meinte Frank nun nachdenklich. „Toni ist … nun ja, ich denke, sie ist ziemlich clever.“

 

„Ja … ja, das ist sie wohl“, antwortete Mike ruhig. „Aber seit dem Tod unserer Mutter ist sie auch …“

 

„Hey, ihr da oben! Wie lange braucht ihr noch?“, ertönte Tonis Stimme plötzlich von unten. „Das Essen ist gleich fertig.“

 

Frank zuckte erschrocken zusammen, doch als er vorsichtig den Hals reckte und über die Brüstung linste, stand Toni ganz ruhig unten vor der Tür und blickte fragend hoch zum Dach. Von dem zuletzt doch etwas lauter geführten Gespräch schien sie nichts mitbekommen zu haben. Er drehte erleichtert den Kopf und bedeutete Mike durch ein leichtes Kopfschütteln seine Beobachtung.

 

„Wir sind gleich soweit“, antwortete der seiner Schwester schnell. „Viertelstunde noch.“

 

„Okay! Beeilt euch! Frank, du isst doch mit uns, oder?“

 

Frank warf Mike einen fragenden Blick zu. Der signalisierte ihm durch ein angedeutetes kurzes Nicken seine Zustimmung. „Gerne“, rief er daraufhin über die Dachkante und registrierte erfreut, wie gut und richtig sich das in seinem Inneren anfühlte.

 

Unten fiel die Haustür ins Schloss und die beiden Jungen auf dem Dach blickten sich aufatmend an.

 

„Puh, Glück gehabt – wenn sie was mitbekommen hätte … ich kann mir nicht vorstellen, dass sie erfreut reagiert hätte.

 

„Wohl war“, sagte Mike leise und setzte dann nach einer Pause hinzu: „Hey, tut mir leid. Ich weiß ja, dass es mich im Grunde nichts angeht.“

 

„Schon okay. Mir ist schon klar, dass ich nicht gerade der Typ Freund bin, den man sich für seine kleine Schwester wünscht.“

 

„Ich denke schon, dass du in Ordnung bist. Es ist nur … gerade alles nicht so einfach. – Hey, hast du nachher noch Zeit? Was hältst du später von einem Bier? Als Dankeschön für deine Hilfe?“

 

„Nicht nötig, aber ich bleibe trotzdem gerne noch.“

 

„Nee, nicht bei uns zu Hause. Lass uns in die Stadt fahren, okay?“

 

„Sicher, aber nur, wenn dann nicht wieder deine Schwester zum Thema des Abends wird.“

 

„Nein, keine Angst. Es ist nur … Alkohol bei uns zu Hause ist … na ja, irgendwie blöd. Wenn´s dir also nichts ausmacht, würde ich das gerne vermeiden.“

 

„Schon klar. Du sagst an. Was dagegen, wenn ich Roman anrufe und frage, ob er sich uns anschließen möchte?“

 

„Nein, prima Idee. Könnte ein lustiger Abend werden.“ Mike grinste verschmitzt. „Außerdem gerate ich in Romans Anwesenheit wohl nicht so leicht in Versuchung über Toni zu quatschen, oder?“

 

Frank grinste breit. „Okay, ich gebe zu, du hast mich durchschaut.“

 

39. Kapitel - Peinliche Momente

„Da seid ihr ja endlich“, wurden die beiden Nachkömmlinge begrüßt, als sie zwanzig Minuten später die Küche, wo der Rest der Familie sich bereits um den Tisch versammelt hatte, betraten. „Und? Wie ist es gelaufen? Hat alles geklappt?“

 

„Prima“, sagte Mike. „Alles paletti. Unser Dach ist wieder tipp topp. Ohne Franks Hilfe hätte ich das allerdings nicht so flott hingekriegt.“

 

Toni schenkte Frank ein strahlendes Lächeln. „Danke“, sagte sie herzlich. „Ich wusste ja gar nicht, dass du so was kannst.“

 

„Ja, ich weiß, es ist kaum zu glauben, aber ich habe deutlich mehr versteckte Qualitäten, als man auf den ersten Blick ahnt“, grinste Frank, der sich über die offene Anerkennung sehr freute.

 

„Oh, ich wollte nicht … ich meinte doch nur …“

 

„Lass stecken.“ Frank winkte etwas verlegen ab. „Das war doch nichts. Ich hab´s gern getan und hatte eh nichts Besseres vor. Hey, ich warne dich: Fang jetzt bloß nicht wieder von der blöden Beurteilung an.“

 

„Ich werde mich hüten.“ Toni lachte. „Setz dich“, sagte sie. „Wie ich dich einschätze, hast du heute noch nichts gegessen.“

 

„Da könntest du recht haben“, knurrte Frank und setzte sich an den Tisch. Dabei nickte er Daniel, der ihn, seit er die Küche betreten hatte, nicht aus den Augen ließ, freundschaftlich zu. „Stimmt was nicht?“, fragte er leichthin. „Du starrst mich an, als hätte ich Hörner auf dem Kopf.“

 

„Nein, nein, alles in Ordnung“, sagte Daniel schnell und warf, als er hastig nach der Salatschüssel griff, fast sein Glas um.

 

„Mann, Daniel, pass doch auf“, meckerte Toni prompt ihren Bruder an, als das Mineralwasser aus dem vollen Glas über den Tisch schwappte. „Was ist denn heute bloß los mit dir?“

 

„Nichts“, schnauzte Daniel seine Schwester an. „Was sollte los sein?“

 

„Daniel, einen anderen Ton bitte“, mischte sich da überraschend Herr Schiffer mit fester Stimme ein. „Wir haben einen Gast.“

 

„Ach was“, fauchte Daniel, der sich zusehends in die Defensive gedrängt sah, seinen Vater an. „Seit wann interessiert dich denn so was?“ Er sprang auf und verließ mit den Worten: „Mir ist der Appetit vergangen“, die Küche.

 

„Daniel!“, brüllte sein Vater hinter ihm her. „Du kommst sofort zurück. – Daniel!“

 

„Hol mich doch, wenn du kannst“, tönte es höhnisch aus dem Flur, während Daniel mit großen Schritten die Treppe hoch polterte.

 

Kurz darauf knallte oben eine Tür lautstark ins Schloss und alle am Tisch blickten sich betreten an.

 

„Es tut mir leid“, sagte Herr Schiffer schließlich peinlich berührt zu Frank. „Da opfern Sie Ihre freie Zeit, um uns zu helfen, und dann passiert so etwas. Ich kann mich nur für meinen Sohn entschuldigen.“

 

„Das brauchen Sie nicht“, antwortete Frank. „Und bitte: Tun Sie mir einen Gefallen und duzen Sie mich.“

 

„Er kommt in die Pubertät“, versuchte Herr Schiffer weiter, Daniels Verhalten zu rechtfertigen. „Es ist ein schwieriges Alter.“

 

„Machen Sie sich keine Gedanken“, wiegelte Frank ab. „Es macht mir nichts aus, ehrlich.“ Das stimmte sogar, insbesondere, da er es besser wusste. Daniels Verhalten hatte nichts mit seiner beginnenden Pubertät zu tun, sondern viel eher mit dem schlechten Gewissen, das den Jungen plagte.

 

Mike holte tief Luft. Er hielt einen Themenwechsel für angebracht. „Frank und ich wollten heute Abend unser repariertes Dach ein wenig ´einweihen´“, warf er in lockerem Plauderton in den Raum. „Vielleicht mit Roman zusammen. Spricht irgendwas dagegen?“, wandte er sich an Toni.

 

Toni schüttelte den Kopf. Dabei versuchte sie tapfer, die plötzlich aufkommende Welle der Enttäuschung in ihrem Inneren zu ignorieren. Ganz gelang ihr das aber zu ihrem allergrößten Ärger nicht. Sie bemerkte selber, dass sich ihre Antwort etwas schnippisch anhörte. „Nein, geht ruhig“, sagte sie. „Ich bin ja da.“ Zu dämlich, schalt sie sich gleich darauf. Sie sollte ihrem Bruder das bisschen Zerstreuung gönnen. Nach der ganzen Plackerei hatte er sich das wahrlich verdient. Und Frank hatte ihm schließlich geholfen. Warum also sollte er Mikes Einladung ausschlagen? Um stattdessen seine Zeit mit ihr zu verbringen, wenn er nun schon mal da war? Wahrscheinlich war die Vorstellung wirklich absurd. Frank arbeitete mit ihr, weil er dazu verdonnert worden war. Nicht mehr und nicht weniger. Dass er Mike heute geholfen hatte, war vielleicht Berechnung, im Hinblick auf seine Beurteilungen, weil er hoffte, seine Gefälligkeit würde, wenn auch unbewusst, ihre Beurteilung beeinflussen. Womöglich aber fand Frank Mike auch ganz einfach nur sympathisch und er versuchte so, neue Kontakte zu knüpfen. Denn, und da war Toni sich hundertprozentig sicher, Frank wusste sehr genau, dass er sich von seinem alten Freundeskreis lösen musste, wenn er dauerhaft von Schwierigkeiten verschont bleiben wollte. Mit ihrer Person hatte sein Gefallen aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht das Geringste zu tun. Es wurde Zeit, dass sie sich das endlich ein für allemal klarmachte, bevor sie sich wieder in etwas verrannte und hinterher enttäuscht auf der Strecke blieb.

 

„Hey, alles klar bei dir?“ Mike berührte seine Schwester leicht am Arm und sie fuhr erschrocken hoch.

 

„Sicher“, antwortete sie hastig, während sie sich krampfhaft bemühte, nicht in Franks Richtung zu blicken. Wenn sie sich weiter so konfus verhielt, musste der sie ja für komplett plemplem halten. Sie rang sich ein Lächeln ab. „Ich bin nur müde, wie immer.“

 

„Wir helfen auch noch, bevor wir abdampfen“, bot Mike an.

 

„Nicht nötig. Geht ruhig. Ich komm´ schon klar. Sarah und Daniel sind ja auch noch da.“

 

„Geh doch einfach mit, Toni“, mischte sich Herr Schiffer plötzlich wieder ein. „Du hast dir auch mal einen freien Abend verdient. Amüsier dich. Die Jungs nehmen dich doch bestimmt mit, oder?“

 

„Natürlich.“ Mike nickte zustimmend. „Hätte ich auch selber drauf kommen können.“

 

Das fehlte noch, dachte Toni. Gott wie peinlich. Als fünftes Rad am Wagen sozusagen. Nein, danke. Sie schüttelte entschieden den Kopf. „Nee, ich sagte doch schon, dass ich müde bin. Wenn ich hier fertig bin, hau´ ich mich endlich mal früh ins Bett. Darauf freue ich mich schon den ganzen Tag.“ Wow, sie war gut! Wie locker, flockig ihr diese Ausrede über die Lippen gekommen war. Sie sollte stolz auf sich sein und dieses dämliche Gefühl des Bedauerns endlich verdrängen. Merkwürdigerweise wollte ihr dieser letzte Schritt jedoch nicht gelingen. Abrupt stand sie auf: „Will noch einer was? Nein? Gut, dann räume ich schon mal ab und ihr könnt euch vom Acker machen. Sarah, holst du bitte Daniel wieder runter.“

 

Wenn Toni sich die Zeit genommen hätte, die Tischrunde noch einmal genauer zu betrachten, wäre ihr aufgefallen, dass nicht nur ihr Vater verständnislos den Kopf schüttelte, sondern auch Frank, seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, nicht wirklich zufrieden mit ihrer Entscheidung schien.

 

***************

 

Am darauf folgenden Montag reagierte Toni förmlich entsetzt, als sie feststellte, dass Frank über das Wochenende tatsächlich noch sechs große Umzugskartons mit Dekoartikeln ins Heim gebracht hatte. Sie hatte einen Zettel von ihm in ihrem Fach gefunden, mit dem er sie bat, vor Dienstbeginn kurz in der Männerumkleide vorbeizuschauen. Er hatte die Sachen extra noch am Sonntagabend mit dem Lieferwagen des Hotels ins Heim gebracht und vorläufig dort deponiert, da er sich nicht getraut hatte, mit dem Lieferwagen zur Schicht zu kommen. Nur so konnte er vermeiden, dass Toni womöglich unangenehme Fragen stellte, die unweigerlich neue Lügen von ihm verlangt hätten.

 

Doch als sie montags zur Schicht erschien, die Nachricht in ihrem Fach vorfand und daraufhin schnurstracks in die Umkleide marschierte, wo sie die  Kartons bemerkte, war sie mehr als überrascht, auch wenn Frank ja so etwas schon angedeutet hatte. Nach einem kurzen Zögern öffnete sie den erstbesten Karton und stöberte gerade neugierig darin herum, als Frank kurz darauf den Raum betrat.

 

Als sie erschrocken zurück zuckte, lächelte er breit und fragte sichtlich stolz: „Na, was sagst du? Ist das was oder ist das was? Ich denke, damit müssten wir doch `ne Menge anfangen können, oder?“

 

Steif richtete Toni sich auf und ging auf ihn zu. Bei aller Überraschung und auch Freude, war sie in diesem Augenblick eines noch mehr: Besorgt. „Wo hast du das Alles her?“, fragte sie kurz, als sie sich, ohne näher darüber nachzudenken, direkt vor ihm aufgebaut hatte und zu ihm aufblickte.

 

Franks Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen: „Hey, was soll das? Was glaubst du denn, wo ich das herhabe?“

 

„Ich weiß nicht. – Frank, bitte. Du musst …“

 

Blitzschnell legte sich sein Zeigefinger auf ihre Lippen und brachte sie damit abrupt zum verstummen. „Psst, sei still. Bitte.“ Er ließ seinen Finger dort wo er war und beugte sich leicht nach vorne. Ernst ruhten seine blauen Augen auf ihrem Gesicht. „Bitte“, wiederholte er leise und eindringlich. „Frag nicht weiter.“

 

Ob er weiß, was er da gerade anrichtet, fragte Toni sich unwillkürlich. Sie hatte Mühe, das wahnsinnige Kribbeln, das sich bei seiner plötzlichen Berührung warm in ihrem ganzen Körper ausbreitet hatte, unter Kontrolle zu bringen. Nein, sie würde nicht zittern! Ganz bestimmt nicht! Stocksteif stand sie vor ihm und verlor sich in seinen Augen. Worum ging es hier noch mal? Scheiße, sie war eindeutig verwirrt. Dieser Typ verwirrte sie und sie musste sich endlich zusammenreißen, wenn sie sich nicht vollends lächerlich machen wollte. Toni gab sich einen Ruck und zwang sich, nach Franks Handgelenk zu greifen. Gehorsam ließ er seine Hand langsam nach unten gleiten.

 

„Vertrau mir“, bat er rau. „Ich will dich nicht anlügen, aber ich schwöre dir, es ist alles in Ordnung.“

 

„Sicher? Keine krummen Dinger?“, brachte sie leise heraus und registrierte dankbar, dass ihre Stimme einigermaßen fest klang.

 

„Ganz sicher. Keine krummen Dinger. 100 %-tig. Im Januar gebe ich die Sachen einfach zurück und damit hat sich die Sache.“

 

Toni nickte zögernd und wollte sein Handgelenk loslassen, doch Frank war schneller. Er packte ihre Hand und hielt sie fest.

 

„Glaubst du mir?“, fragte er noch leiser als sie zuvor.

 

„Ist das wichtig?“, hörte Toni sich antworten. Mist! Jetzt zitterte ihre Stimme doch. Ganz eindeutig!

 

Franks Gesicht war jetzt so dicht vor ihrem, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten. „Und ob“, flüsterte er. „Für mich ist es wichtig. Also, was ist? Glaubst du mir?“, wiederholte er drängend seine Frage.

 

Wieder nickte Toni. Zu sprechen traute sie sich nicht mehr. Sie schloss kurz die Augen, um seinen Blicken zu entkommen. Jede einzelne Faser ihres Körpers reagierte auf Franks Nähe. Sein Atem roch nach Pfefferminze. Es grenzte an ein Wunder, dass sie das überhaupt noch registrierte, so sehr wie ihre sämtlichen Nervenenden flatterten. Einerseits würde sie jetzt am liebsten einmal mehr die Flucht ergreifen und andererseits fürchtete sie sich davor durch eine unbedachte Bewegung womöglich diesen beinahe magisch anmutenden Augenblick zu zerstören. Sie verstand sich selbst nicht mehr. Das war es wohl, was man `um den Finger wickeln´ nannte, denn genau das tat er mit ihr. Frank hatte sie in der Hand. Er hatte sie völlig in seinen Bann gezogen und in Tonis Kopf kreiste gerade nur noch die Frage, ob er sie wohl gleich küssen würde, oder nicht. Alles andere war mit einem Mal unwichtig geworden.

 

Schwungvoll öffnete sich in diesem Augenblick die Tür und Roman platzte unbekümmert wie immer in den Raum hinein. Toni und Frank fuhren wie ertappt erschrocken auseinander und traten hastig jeder ein paar Schritte zurück, wobei Frank mit dem Rücken scheppernd gegen die metallenen Spindschränke knallte. Roman blieb auf der Stelle stehen und blickte vielsagend von einem zum anderen.

 

„Hey, was soll ich sagen?“, fragte er schließlich breit grinsend. „Ist `Ups´ okay? Reicht das?“

 

„Idiot!“, skandierte Frank, drehte sich abrupt um, schloss sein Spind auf und schleuderte seinen Rucksack geräuschvoll hinein.

 

Toni hob hilflos eine Hand und ließ sie gleich darauf kraftlos wieder sinken. „Hey, Roman“, war alles, was sie tonlos hervorbrachte.

 

„Hey, Roman? Was soll das?“ Ihr Kollege schaffte es tatsächlich, seiner Stimme einen beleidigten Klang zu verleihen, bevor er Toni herzlich in die Arme schloss. „Mensch, ich gratuliere! Ihr seid mir ja vielleicht zwei! Ich hatte ja keine Ahnung!“

 

Toni löste sich aus Romans freundschaftlicher Umklammerung. „Da gibt es nichts zu gratulieren“, grummelte sie. „Wir … wir sind nur …“ Hilfesuchend blickte sie zu Frank, der jedoch immer noch verbissen in seinem Spind kramte und offensichtlich nicht beabsichtigte, ihr zu Hilfe zu kommen. „Wir hatten eine Diskussion“, erklärte sie schließlich lahm.

 

„Ja, klar“, antwortete Roman prompt ironisch. „Eine Diskussion! In der immerhin-schon-seit-einigen-Wochen-wieder-Nur-Männerumkleide. Jepp, wie dumm von mir, dass ich nicht gleich darauf gekommen bin, denn genau danach sah es auch aus. Tut mir leid, Frank. Ehrlich, aber ich konnte ja nicht ahnen, dass …“

 

Frank richtete sich auf und atmete einmal tief durch, bevor er sich umdrehte und mit ausdruckslosem Gesicht nach einem der Kartons griff. „Mach dir keinen Kopf, Roman“, sagte er ruhig. „Du hast es ja gehört. Da ist nichts, was dir leidtun müsste. Toni, ich trag die Sachen schon mal rüber. Wir treffen uns dann gleich im Speisesaal, okay? Bis später dann...“ Damit verließ er fast fluchtartig ohne ein weiteres Wort den Raum.

40. Kapitel - Überraschender Besuch

Am Abend vor der Weihnachtsfeier verließ Frank nach dem Dienst sehr still und in sich gekehrt das Heim. Aus irgendeinem ihm unerklärlichen Grund war er schon den ganzen Tag über sehr nervös und es machte ihn zunehmend kirre, dass er keine Erklärung dafür fand.

 

Toni? Die ging ihm seit dem Vorfall in der Umkleidekabine ziemlich offensichtlich aus dem Weg. Das fand er zwar bedauerlich, aber das konnte nicht die Ursache für seine innere Unruhe sein, denn bis auf die Tatsache, dass sie sich eben deutlich zurückhaltender ihm gegenüber verhielt, kamen sie eigentlich gut miteinander aus. Insbesondere, wo es ihnen – trotz der etwas peinlichen Umstände – letztlich gelungen war, ein insgesamt sehr ansprechendes Ergebnis im Hinblick auf die Weihnachtsdekoration des Heimes abzuliefern. Sowohl die Bewohner als auch die Mitarbeiter waren voll des Lobes über die liebevolle Deko gewesen, was sie beide zu recht mit Stolz erfüllt hatte. Seit dem Ende ihrer Vorbereitungen waren sie von Schwester Maria wieder in den normalen Dienstplan integriert worden und da es stets viel zu tun gab blieb ihnen logischerweise auch weniger Zeit für private Unterhaltungen. Wie gesagt: Bedauerlich, aber kein Grund zur Beunruhigung, denn die Stimmungslage zwischen ihnen beiden war grundsätzlich gut und Frank freute sich insgeheim schon sehr auf die Weihnachtsfeier am nächsten Tag.

 

Seine Clique? Vermisste er seine alten Freunde tatsächlich so sehr? Frank beantwortete sich diese Frage mit einem klaren `Nein´. Er vermisste sie kein bisschen und das war gut so. Das Einzige, was ihm noch zu schaffen machte, war, das ihm immer noch keine zündende Idee in Bezug auf seine fest eingeplante Hilfsaktion für Trixie eingefallen war.

 

Das Ende seiner Sozialstunden? Nun, dass seine restliche Stundenzahl immer mehr zusammenschmolz, machte ihm schon ein wenig zu schaffen, aber noch war es schließlich nicht soweit, dass das Thema endgültig hinter ihm lag. Damit würde er sich auseinandersetzen, wenn es soweit war. Frank lächelte leicht. Kaum zu glauben, dass er tatsächlich so dachte. Noch vor wenigen Wochen waren ihm die Sozialstunden wie das Grauen schlechthin erschienen. Und jetzt? Jetzt bedauerte er allen Ernstes, dass es bald vorbei war. Wenn er es wollte, würden sich ihm mit Sicherheit auch weiterhin Möglichkeiten bieten, Toni zu treffen. Darüber machte er sich keine Gedanken. Immerhin verstand er sich inzwischen sehr gut mit Mike und Roman und wenn alle Stricke rissen, konnte er immer noch ehrenamtlich im Heim aushelfen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand Einwände dagegen erheben würde.

 

Nick? Frank hielt kurz inne und horchte in sich hinein. Ja, das konnte der Grund sein. Nick verhielt sich immer noch ungewöhnlich ruhig, was ihn zunehmend nervös machte. Frank hätte das nie von ihm erwartet und so war er seit Tagen permanent auf der Hut. Irgendetwas war im Busch und es machte ihn schier wahnsinnig, dass er keinen Einfluss darauf nehmen konnte. Er konnte nur ruhig abwarten und aufpassen, bis Nick endlich zuschlug. Dass er das tun würde, das stand für ihn außer Frage. Scheiße, Geduld hatte noch nie zu seinen Stärken gehört.

 

Mit einem tiefen Seufzer ging er weiter zu seinem Motorrad und schloss die Maschine auf. Dann schaute er in den Himmel. Es sah mal wieder nach Schnee aus. Außerdem hatte der Frost schon wieder mächtig angezogen. Vielleicht sollte er doch so langsam das Motorrad in der Garage lassen und mit dem Bus kommen. Bei Schnee und Eis war es nicht nur lausig kalt, sondern auch zunehmend gefährlich. Natürlich könnte er auch das Auto nehmen, aber das wollte er nicht riskieren. Toni war auch so schon misstrauisch genug und er wollte sie nicht schon wieder anlügen. Das musste ein Ende haben!

 

Wie so oft in den letzten Tagen dachte er wieder an die Szene in der Umkleide, als Roman so plötzlich hereingeplatzt war. Einerseits war er froh darüber gewesen, denn wenn das nicht geschehen wäre, hätte er Toni mit ziemlicher Sicherheit gegen alle Regeln der Vernunft geküsst. Andererseits wollte er genau das tun. Der Drang, sie zu berühren wurde immer stärker. Er wollte Toni so gerne in die Arme nehmen. Unbedingt! Er wollte sie spüren, ganz dicht bei sich. Noch nie zuvor hatte er so dringend herausfinden wollen, wie ein Mädchen, nein, wie Toni reagierte, wenn er sie küsste. Er musste einfach wissen, ob sie genauso empfand wie er. Doch eins war klar: Bevor das geschah, musste er dringend zuerst noch klare Verhältnisse schaffen. Bald – sehr bald! Es wäre eine Katastrophe, wenn sie durch einen dummen Zufall oder durch jemand anderen herausfände, wer er tatsächlich war. Mittlerweile grenzte es sowieso beinahe schon an ein Wunder, dass es so lange gut gegangen war. Schließlich arbeitete er nicht inkognito in diesem Heim. Es gab genügend Leute, die wussten, aus welchen Verhältnissen er stammte und wie es um seine Familie bestellt war – allen voran Schwester Maria.

 

Frank seufzte wieder und schwang sich auf seine Maschine. Vielleicht ergab sich ja morgen während der Weihnachtsfeier eine Gelegenheit, Toni endlich reinen Wein einzuschenken. Je länger er darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm der Gedanke. Selbst wenn Toni im ersten Moment sauer reagieren sollte … sie würde doch bestimmt nicht riskieren, den alten Leutchen ihre Feier zu verderben, indem sie ihm eine Szene machte. Er musste einfach nur eine Gelegenheit finden, ein paar Minuten in Ruhe alleine mit ihr zu reden. Genau, das konnte doch nicht so schwer sein.

 

„Frank?“

 

Im ersten Augenblick glaubte Frank, er hätte sich verhört. Unsicher blickte er sich um und entdeckte zu seiner großen Überraschung Trixie, die sich zitternd in einen Hauseingang drückte, um sich in ihrer dünnen Kleidung wenigstens einigermaßen vor dem schneidenden Wind zu schützen.

 

„Trixie!“ Frank stieg wieder ab, bockte seine Kiste auf und ging schnell die wenigen Schritte zu dem Mädchen hinüber. „Was machst du denn hier?“ Misstrauisch blickte er sich um. „Bist du alleine?“

 

Trixie nickte hustend und Frank entspannte sich wieder etwas. Er glaubte ihr. Allerdings hatte er bei seinem schnellen Rundblick Toni bemerkt, die gerade im Begriff war, das Heim zu verlassen und jetzt – als sie Trixie und ihn bemerkt hatte – auf den Eingangsstufen innehielt und wie gebannt zu ihnen herüber blickte. Mist, auch das noch, schoss es ihm kurz durch den Kopf. Allerdings ließ seine alte Freundin ihm keine Zeit, sich weiter den Kopf darüber zu zerbrechen, was Toni wohl über dieses Treffen denken mochte, denn sie krümmte sich plötzlich in einem fürchterlichen Hustenanfall, presste ihre Hände vor ihren Bauch und sank direkt vor seinen Augen haltlos in sich zusammen.

 

„Hey“, rief Frank erschrocken aus. „Verdammt, was machst du denn?“ Er zog seine Jacke aus und hängte sie Trixie über die Schultern, bevor er ihr schließlich vorsichtig aufhalf. Da das Mädchen extrem wackelig auf den Beinen schien, legte Frank vorsichtshalber einen Arm um ihre Taille, um sie zu stützen. „Mensch, dir geht es ja immer noch nicht besser. Was in aller Welt treibt dich denn hierher?“

 

Trixie blickte aus trüben, rot geräderten Augen zu ihm auf und murmelte undeutlich etwas, dass so ähnlich wie `auf dich gewartet´ klang.

 

„Hey, alles in Ordnung bei euch? Oder braucht ihr vielleicht Hilfe?“, erklang da zu allem Unglück Tonis Stimme direkt hinter ihnen.

 

Mit Trixie, die wie eine schlaffe Puppe in seiner Armbeuge hing, fuhr Frank herum. „Nein! Ja! Ich weiß nicht“, stotterte er. „Es geht ihr nicht so gut“, setzte er schließlich ein wenig hilflos hinzu.

 

„Ich würde sagen, das ist offensichtlich“, antwortete Toni trocken und streifte Trixie mit einem Seitenblick. Erst war sie entsetzt gewesen, als sie beim Verlassen des Heimes Frank auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit dem Mädchen aus dem EKZ gesehen hatte. Die Neugier, nein, wenn sie ehrlich war, die Eifersucht hatte sie dazu getrieben, zu den beiden hinüberzugehen. Doch jetzt, wo sie die beiden erreicht hatte und Trixies Zustand erkannte, war sie zutiefst erschrocken. „Und? Was hast du vor?“, erkundigte sie sich bei Frank.

 

„Keine Ahnung“, antwortete der leicht verzweifelt. „Ich weiß bis jetzt ja nicht mal, warum sie hier ist.“ Wieder schüttelte ein Hustenanfall Trixie so stark durch, dass sie fast aus Franks Arm gerutscht wäre, wenn er nicht im letzten Augenblick noch reaktionsschnell und beherzt nachgefasst hätte. „Verdammte Scheiße“, fluchte er dabei leise vor sich hin und blickte anschließend entsetzt auf ein paar kleine Blutstropfen, die sich auf dem Asphalt vor seinen Füßen sammelten. „Sie ist wirklich beschissen dran. Ich glaube, sie braucht einen Arzt…“

 

„N…nein“, röchelte Trixie und warf ihm einen flehenden Blick zu. „Bitte nicht. Ich … wollte doch nur …“

 

Toni fasste einen Entschluss. So konnte es nicht weitergehen. „Komm, wir bringen sie erstmal ins Warme.“

 

„Du meinst da rein? Ins Heim?!“ Frank starrte mit großen Augen auf die Eingangsstufen des Altenheims. Mit diesem Vorschlag hatte er offensichtlich nicht gerechnet.

 

„Sicher! Oder hast du vielleicht eine bessere Idee?“, fauchte Toni ungehalten. „Aber an der Pforte können wir nicht vorbei. Wir gehen hintenrum. Na los, mach schon, ich pass´ auf, dass euch keiner sieht.“

 

                                                 ***********

 

Eine Viertelstunde später befanden sie sich in einem der großen, gut beheizten, behindertengerechten Badezimmer, in die um diese Zeit so gut wie nie jemand hereinkam. Toni betete, dass das auch für diesen Abend zutreffen möge. Frank, der Trixie hineingetragen hatte, setzte sie nun behutsam in einen der für die Bewohner dort abgestellten Rollstühle ab und richtete sich aufatmend auf.

 

„Danke“, flüsterte Trixie kaum vernehmbar und schlang schützend die Arme um ihren mageren Körper. Dabei rutschte Franks Jacke von ihren Schultern und glitt zu Boden.

 

„Was nun?“, fragte Frank Toni, während er die Jacke aufhob und sie behutsam wärmend mit der gefütterten Innenseite über Trixies Schoß ausbreitete, was mit einem dankbaren Blick aus fiebrig glänzenden Augen quittiert wurde.

 

Toni reichte Trixie ein Handtuch, bevor sie prüfend eine Hand auf die Stirn des Mädchens legte. Daraufhin verzog sie das Gesicht und schaute Frank ernst an. „Gott, sie glüht förmlich. Du hast recht: Sie braucht einen Arzt.“

 

„Nein!“ Mit einem überraschend kräftigen Entsetzensschrei machte Trixie sich bemerkbar. „Nein! Frank, bitte! Du weißt, dass das nicht geht!“ Zwischen den einzelnen Worten rang sie immer wieder pfeifend nach Luft und umklammerte die Armlehnen des Rollstuhls so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten und die wärmende Jacke schon wieder ins Rutschen geriet. Die letzten Silben endeten in einem verzweifelten Schluchzen, das Frank fast das Herz brach.

 

Er ging schnell neben dem Rollstuhl in die Knie und legte der Freundin besänftigend eine Hand auf den Arm. „Psst, beruhige dich“, bat er mit gedämpfter Stimme. „Nicht so laut. Sonst fliegen wir noch auf. Hörst du? Wir müssen leise sein.“ Er blickte hoch zu Toni, die direkt neben ihnen stand. „Gibt es denn wirklich keine andere Möglichkeit?“, fragte er wider besseres Wissen. „Wir könnten ihr doch Medikamente geben und sie erstmal vernünftig aufwärmen. Das wäre doch schon mal ein Anfang. Und wenn sie sich dann ein wenig erholt hat …“

 

„Bullshit! Das wäre nichts! Gar nichts! Wie lange willst du sie denn hier verstecken, du Idiot?“, widersprach Toni vehement. „Du hast wohl noch nicht genug Ärger an der Backe?! Wie willst du Schwester Maria z.B. später die fehlenden Medikamente erklären? Nein, Frank, egal, was du vorhast – ich spiele da nicht mit. Das Mädchen braucht unbedingt ärztliche Hilfe. Alles andere wäre unverantwortlich. Hör und sieh sie dir doch nur an! Wenn sie Luft holt, rasselt und pfeift das, als wenn…“ Toni brach ab und schüttelte so entschieden den Kopf, dass die roten Locken um ihr Gesicht flogen. „Was auch immer sie hat ist mit Sicherheit weit mehr, als eine läppische Erkältung und wenn wir jetzt keinen Arzt für sie rufen, dann machen wir uns mitschuldig, wenn es noch schlimmer wird.“

 

Trixie hockte während Tonis Ansprache wie ein Häufchen Elend im Rollstuhl und jammerte leise röchelnd vor sich hin. Frank richtete sich auf trat hilflos und außer sich vor Wut und Sorge gegen den Badewannenrand und fluchte gleich darauf inbrünstig.

 

„Das hilft uns auch nicht weiter“, kommentierte Toni trocken seine Aktion. Dabei war sie längst nicht so cool, wie sie sich nach außen hin gab. Im Gegenteil: Trixies Gesundheitszustand jagte ihr eine Höllenangst ein.

 

„Ich weiß – verdammt, ich weiß ja!“, knurrte Frank, kniete sich wieder neben das Mädchen und griff sanft nach Trixies eiskalten Händen. „Hey“, redete er leise und beschwörend auf die Freundin ein. „Toni hat recht. Wir müssen einen Arzt für dich rufen.“

 

„Nein, nein, bitte nicht“, flehte Trixie, während ihr die Tränen übers Gesicht strömten und sie rasselnd versuchte, genügend Luft zum Weiterreden in ihre Lungen zu ziehen. „Ich bin doch nur gekommen, um dich zu warnen. Wegen Nick, weil ich glaube, er plant da was. Ich will keinen Arzt. Es geht mir gut – ich muss mich nur ein wenig aufwärmen. Okay? Dann bin ich gleich wieder weg. Keinen Arzt! Frank, bitte, das kannst du mir nicht antun.“ Sie brachte kaum zwei Worte zusammenhängend heraus, so sehr wurde ihr schmächtiger Körper immer wieder von Hustenanfällen und Schluchzern durchgeschüttelt.

 

Frank packte das Mädchen sanft bei den Schultern und zwang sie, ihn anzusehen. „Trixie, bitte. Du machst mir Angst. Ich will nicht, dass dir was passiert.“

 

„Dann bring mich einfach zurück zur Fabrik. Du weißt genau, was passiert, wenn sie mich nach Hause schicken. Du weißt es doch!“

 

Frank schaute zu Toni, die inzwischen an der Tür stand und durch einen schmalen Spalt den Gang im Auge behielt. „Toni?“ Er stand entschlossen auf. „Rufst du bitte den Diensthabenden, ja? Mach schnell.“ Der Klagelaut, der daraufhin Trixies Mund verließ, bereitete ihm fast körperliche Schmerzen.

 

Toni schloss leise die Tür, kam zu ihm herüber und schenkte ihm ein kleines Lächeln. „Mach ich. Danke. Ich weiß, es fällt dir schwer, aber glaub mir, es ist die richtige Entscheidung“, flüsterte sie, stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm aus heiterem Himmel einen flüchtigen Kuss auf die Wange.

 

Frank erstarrte. „Hoffentlich“, brachte er mit Mühe heraus.

 

„Ist es“, bekräftigte Toni. „Ich bin stolz auf dich.“

 

„Ja?“ Scheiße, irgendwie hatte er plötzlich einen Kloß im Hals. Trixie weinte immer noch leise vor sich hin und Frank hatte das bestimmte Gefühl, das ihm die Situation längst total entglitten war. Er hasste das. Normalerweise gehörte er zu den Menschen, die gerne die Kontrolle über eine Situation behielten aber das hier, das überstieg eindeutig seine Möglichkeiten.

 

„Ja“, bekräftigte Toni. „Ich geh´ jetzt den Arzt suchen. Bleib du bei ihr. Ich fürchte, sonst haut sie uns noch ab. Außerdem glaube ich, sie wollte dir noch irgendwas sagen.“

 

Frank dachte nicht nach, er konnte gar nicht mehr vernünftig denken. Er handelte nur noch instinktiv. Wie ferngesteuert legte sich seine eine Hand auf Tonis Wange. „Danke“, sagte er schlicht, während sein Daumen sich selbstständig machte und sanft über Tonis Haut rieb.

 

Sie lächelte und schmiegte ganz kurz ihr Gesicht an seine warme Handfläche. „Dafür nicht“, sagte sie schnell, wandte sich ab und ging zur Tür. „Ich bin gleich wieder da. Pass inzwischen gut auf sie auf.“

 

41. Kapitel - Die richtige Entscheidung

Es dauerte eine Weile, bis Toni mit dem diensthabenden Arzt zurückkam. Frank tat sein Bestes, um Trixie inzwischen zu beruhigen, doch es fiel ihm schwer, seine Freundin zu überzeugen, insbesondere, da er sich trotz Tonis Zuspruch immer noch nicht 100 %-tig sicher war, tatsächlich die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Mehrfach musste er gegen den ihn plötzlich überkommenden Drang ankämpfen, Trixie einfach zu packen, und mit ihr zusammen zu verschwinden. Er kam sich wie ein Verräter vor und versicherte dem unglücklichen Mädchen wieder und wieder, sie nicht im Stich zu lassen und für sie da zu sein. Endlich erschien Toni mit dem Arzt im Schlepptau, der sich nach einem kurzen Blick auf die Patientin, ohne viele Fragen zu stellen, zunächst einmal intensiv um Trixie kümmerte.

 

Toni und Frank standen schweigend mit gemischten Gefühlen im Hintergrund, während der Arzt Trixie in den Rachen schaute, mit einer Lampe in ihre Augen leuchtete und ihr mit routinierten Handgriffen den Blutdruck maß. Danach hörte und klopfte er das Mädchen vorne und hinten ab, bevor er sich schließlich aufrichtete und zu ihnen umdrehte.

 

„Wie lange ist sie schon in diesem Zustand?“, erkundigte er sich kurz, während er gleichzeitig hastig die Taschen seines Kittels abtastete.

 

Toni gab die Frage an Frank weiter, indem sie ihn fragend anschaute.

 

„Ähm … ich weiß nicht so genau“, berichtete Frank stockend. „Aber gehustet hat sie schon vor zwei, drei Wochen. So heftig wie jetzt war es da allerdings noch nicht. Eben … draußen vor der Tür … da hat sie sogar Blut gespuckt.“

 

„Ist sie deine Freundin?“, fragte der Arzt scharf und seine Züge drückten kurzfristig Erleichterung aus, als er endlich sein Mobiltelefon in seiner rechten Hosentasche fand.

 

„Nein, ich … Hören Sie, es geht Sie zwar nix an, aber Trixie ist einfach nur `ne Freundin, okay? In letzter Zeit habe ich sie allerdings nicht mehr so häufig gesehen“, antwortete Frank mit klopfendem Herzen. „Was ist denn mit ihr?“

 

Der Arzt schnaubte kurz. „Die Frage müsste wohl eher lauten: Was ist nicht mit ihr? Aufgrund meiner ersten Untersuchung würde ich sagen, sie ist stark unterkühlt, unterernährt, dehydriert und hat außerdem eine doppelseitige, schwere Lungenentzündung. Sie muss in stationäre Behandlung, und zwar zügig, hier kann ich nicht viel für Sie tun.“ Er bellte ein paar kurze Befehle in sein Mobiltelefon und klappte es dann wieder zu. „Der Krankenwagen wird gleich hier sein. Was muss ich sonst noch über sie wissen?“

 

Frank schwieg. Die Diagnosen des Arztes hatten ihn einigermaßen verstört.

 

„Komm schon, Junge. Raus mit der Sprache. Sie riecht nach Alkohol. Trinkt sie regelmäßig? Nimmt sie Drogen?“

 

Frank schwieg beharrlich weiter und blickte stur geradeaus.

 

„Hör zu, du hilfst ihr nicht, wenn du den Mund hältst. Es ist für uns jetzt extrem wichtig, zu wissen, ob und wann sie was eingeworfen hat. Möglichst bevor sie uns hier endgültig kollabiert, klar?“

 

„Frank“, warf Toni drängend ein. „Bitte, es ist wirklich wichtig. Sie müssen in der Klinik die Medikation darauf abstimmen.“

 

„Ja, es könnte schon sein, dass sie was genommen hat“, räumte Frank leise ein. „Beides. Also, ich meine Alkohol und Drogen. Aber ich weiß es nicht genau. Wie gesagt, ich habe sie seit einer Weile nicht mehr gesehen und bin nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Können Sie das in der Klinik denn nicht testen lassen?“

 

„Sicher kann ich das, aber es kostet uns unnötige Zeit.“ Der Arzt fluchte unterdrückt. Dann riss er sich zusammen und wurde wieder sachlich. „Wie heißt sie? Wen sollen wir benachrichtigen?“

 

„Niemanden“, antwortete Frank eine Spur zu schnell. „Sie lebt auf der Straße.“

 

Der Arzt kniff die Augen zusammen und warf ihm einen ungläubigen Blick zu. „Okay. Lassen wir das erstmal. Weißt du, ob und wie sie versichert ist? “

 

„Haben Sie mir nicht zugehört?“ Frank verdrehte die Augen. „Sie ist ob-dach-los. Ihr Name ist Trixie, ich vermute von Beatrix. Sie behauptet, dass sie sechzehn ist, aber das glaube ich nicht. Ich denke, sie ist jünger. Das ist alles. Mehr weiß ich nicht.“ Als er den erneuten zweifelnden Blick des Arztes registrierte, hob er beide Hände und setzte hinzu: „Ehrlich. So gut kenne ich sie nun auch nicht.“

 

„Immerhin gut genug, um mit ihr rum gemacht zu machen, vermute ich mal“, entfuhr es dem wütenden Arzt.

 

Es reichte! Wütend blitzte Frank den Arzt an. „Hören Sie“, sagte er mühsam beherrscht und ballte unbewusst die Fäuste. „Denken Sie von mir aus meinetwegen, was Sie wollen, aber tun Sie endlich was, Mann! Oder sind Sie einer von denen, die nur helfen, wenn der Patient krankenversichert ist – am besten noch privat?“

 

„Was erlaubst du dir? Das ist eine bodenlose …“, fauchte der Arzt empört und einen Moment lang sah es tatsächlich so aus, als wolle er Frank an die Gurgel gehen, doch draußen war in diesem Augenblick zu Tonis grenzenloser Erleichterung ein Martinshorn zu hören, das sich rasch näherte.

 

„Der Krankenwagen kommt“, unterbrach sie die Streithähne hastig und trat vorsichtshalber einen Schritt nach vorn, so dass sie jetzt mehr oder weniger zwischen den beiden stand, die sich immer noch wütend anfunkelten. „Wir sollten rausgehen.“

 

Frank schüttelte die Hand des Arztes, die sich trotz Tonis Einmischung bereits auf seinen Arm gelegt hatte brüsk ab, und kam dem Arzt zuvor, indem er Trixie aus dem Rollstuhl hob. „Ich werde mitfahren“, erklärte er kategorisch und trug Trixie kurzerhand auf seinen Armen aus dem Raum hinaus.

 

„Das geht nicht“, widersprach der Arzt prompt erbost und folgte Frank auf dem Fuß. „Du bist kein Verwandter!“

 

„Ich bin alles, was sie derzeit hat, und Sie werden schon sehen, wie das geht“, stieß Frank zwischen den Zähnen hervor und trat kurzerhand die Schwingtür, die nach draußen führte, mit dem Fuß auf, da der Arzt keinerlei Anstalten machte, diese für ihn zu öffnen. Dann ging er mit Trixie schnurstracks zum Krankenwagen, der gerade vor dem Hintereingang des Heims parkte. Kurz darauf legte er das Mädchen vorsichtig auf die klappbare Bahre, die die Sanitäter bereitstellten und machte dann sichtlich widerstrebend für die Erstversorgung Platz.

 

Trixie, die inzwischen kaum noch ansprechbar war, bekam einen Zugang gelegt und man hängte ihr eine Infusion an. Danach kontrollierte der Sanitäter die Vitalfunktionen und versuchte, Kontakt mit der Patientin aufzunehmen, was sich aber sehr schwierig gestaltete. Der Diensthabende informierte indessen den 2. Sanitäter über seine Befunde und Vermutungen, bevor er sich wieder Frank und Toni zuwendete, die etwas seitlich standen und nervös abwarteten und zusahen.

 

„Sie bringen sie in die Uniklinik“, teilte der Diensthabende Frank nun wieder etwas ruhiger und sachlicher mit. „Ich bitte dich, sei vernünftig. Das Mädchen ist wirklich in einem sehr schlechten Allgemeinzustand und der Sanitäter muss sich trotz der Enge im Wagen weiter um sie kümmern. Du kannst ja später nachkommen, und dich nach ihr erkundigen.“

 

Frank atmete einmal tief durch. „Okay“, antwortete er kurz. „Mach´ ich. – Und …“ Er zögerte einen Moment lang. „…Danke.“

 

„Dafür bin ich da“, antwortete der Mediziner knapp. „Toni, dich möchte ich gleich drinnen noch sprechen. Ich warte im Arztzimmer auf dich.“

 

„Ja, ich … ich komme gleich nach“, versprach Toni kleinlaut.

 

„Davon gehe ich aus“, entgegnete der Arzt nachdrücklich und ging zurück ins Haus, ohne sich noch einmal umzublicken, während die beiden Jugendlichen allein auf der Rasenfläche hinter dem Altenheim zurückblieben.

 

Frank blickte nachdenklich den sich schnell entfernenden Rücklichtern des Krankenwagens hinterher: „Toni, ich hoffe, du verstehst das, aber ich … ich muss zu Trixie. Ich würde dir ja wirklich gerne bei dem Donnerwetter beistehen, aber ich kann sie in dieser Situation jetzt unmöglich alleine lassen. Wenn sie wieder einigermaßen zu sich kommt, wird sie Angst haben und dann möchte ich bei ihr sein; das wird sie vielleicht etwas beruhigen.“ Seine Stimme klang ungewöhnlich ernst.

 

„Natürlich möchtest du das“, antwortete Toni und lächelte unsicher. „Ich regle das hier schon. Mach dir keine Gedanken. Er bellt nur, aber er beißt nicht. Ich kenn´ ihn ja schon was länger. – Was denkst du? Werden sie in der Klinik die Polizei informieren?“

 

„Oh, ja! Darauf kannst du Gift nehmen“, entgegnete Frank bitter und wagte nicht, sich auszumalen, was das für Trixie für Folgen haben konnte. „Es ist schließlich keine Kunst, sich auszurechnen, dass sie eine Ausreißerin ist.“

 

„Und … was passiert dann mit deiner Bewährung?“

 

„Hey …“ Er packte Toni bei den Schultern und drehte sie zu sich herum. „Jetzt hör mir mal gut zu: Ich habe mir nichts vorzuwerfen, klar? Als ich raus kam, stand Sie einfach da draußen in der Kälte und wartete auf mich. Das weißt du. Und selbst wenn sie in Trixies Blut irgendwas finden sollten – ich bin clean. Meinetwegen sollen sie mir doch Blut abzapfen. Wenn´s sein muss pinkel ich auch vor aller Augen in eine Flasche. Ist mir egal. Die können mir gar nichts. Mach dir keine Sorgen … du machst dir doch Sorgen, oder?“, setzte er forschend hinzu und versuchte Tonis Blick einzufangen.

 

Toni nickte zaghaft und schaute zu Boden.

 

„Hey, das ist süß von dir, aber absolut unnötig.“ Frank legte beinahe zärtlich seine Hand an ihre Wange. „Ich muss jetzt los.“, sagte er leise. „Hey, wenn der Doc Probleme macht, ruf mich an – dann komm´ ich später zurück. Scheiße, Mann, was für ein Chaos. Es tut mir so leid.“

 

„Schon in Ordnung, ich versteh´ dich ja“, murmelte Toni verlegen und ließ zu, dass Frank ihren Kopf mit seinem Finger unter ihrem Kinn wieder leicht anhob. „Du solltest jetzt wirklich besser fahren“, setzte sie fast flüsternd hinzu. „Wer weiß, wann Trixie wach wird?“

 

„Jaaa, ich … das sollte ich wohl, aber ich … ich wollte dir zuerst noch was sagen. Ich … bin wirklich froh darüber, dass du eben da warst. Ehrlich, ich weiß nicht, was ich ohne dich getan hätte.“

 

„Das Richtige“, antwortete Toni, die durch Franks Finger unter ihrem Kinn, zusehends nervöser wurde.

 

Frank grinste schief. „Ich weiß nicht. Ich bin nicht besonders gut im das-Richtige-tun, aber wem sag´ ich das. Wenn ich gut darin wäre, hättest du mich schließlich nicht an der Backe.“

 

„Hm ...“

 

„Aber ich arbeite dran.“

 

„Und du schaffst das – da bin ich sicher.“ Toni nickte bekräftigend mit dem Kopf und brachte Frank zu ihrer Erleichterung so dazu, endlich seine Hand wieder sinken zu lassen.

 

„Echt, ich kapiere nicht, wie du dir da so sicher sein kannst, wenn noch nicht mal ich mir sicher bin, ob ich den Absprung schaffe.“

 

„Du schaffst das…“, wiederholte Toni mit fester Stimme „…weil du ein guter Mensch bist“, setzte sie dann ruhig nach einer Pause hinzu, als sei dies für sie die klarste Sache der Welt. „Einem schlechten Menschen wäre es vorhin egal gewesen, was mit Trixie geschieht. Dir aber war es nicht egal, was beweist, dass du im Grunde ein guter Mensch bist. Du hast gehandelt und nicht eine Sekunde lang an eventuelle Konsequenzen für dich gedacht. Also…“ Sie brach ab und zuckte mit den Schultern.

 

„Du bist unglaublich.“ Frank war tief gerührt. „Ich … ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. – Hör zu … ich weiß, der Zeitpunkt ist nicht gerade glücklich, aber ich muss das jetzt endlich mal loswerden. Ich würde nämlich gerne mehr Zeit mit dir verbringen. Ich meine, Zeit außerhalb der Arbeit und auch noch nachdem ich hier …“ Er machte eine Handbewegung zum Haus hin. „… mit allem fertig bin. Allerdings muss ich dir vorher unbedingt noch…“

 

„Frank, bitte!“ Toni lächelte zaghaft, als sie ihn unterbrach. „Lass uns ein anderes Mal reden, okay? Der Doktor wartet auf mich – ich würde es gerne hinter mich bringen und du solltest dich endlich auf den Weg in die Klinik machen – Trixie wartet womöglich schon.“

 

„In Ordnung, du hast ja recht.“ Frank beugte sich schnell vor und gab Toni einen flüchtigen Kuss auf den Mund, wobei er gleichzeitig mit einer Hand zärtlich über ihre Wange strich. Dann richtete er sich auf und grinste schelmisch. „Aber bild dir bloß nicht ein, dass du mir dieses Mal wieder so leicht davonkommst. Wir werden reden! – Ich meld´ mich auf jeden Fall später noch mal bei dir, in Ordnung?“

 

„Okay.“ Frank hatte Toni mit seiner Aktion mehr als überrumpelt. Jetzt stand sie mit klopfendem Herzen da und blickte Frank hinterher, der eilig zu seiner Maschine ging, den Helm aufsetzte und den Motor startete. Bevor er losfuhr, drehte er sich noch einmal zu ihr um und winkte kurz. Toni hob ebenfalls eine Hand zum Abschied und atmete dann einmal tief durch. Was bedeutete das? Was hatte er ihr mit seinen Worten, seiner Aktion sagen wollen?  Dass er mit ihr zusammen sein wollte? Oder war es einfach schlichte Dankbarkeit und er bot ihr lediglich seine Freundschaft an? Beinahe andächtig fuhr sie sich mit dem Zeigefinger über ihre Lippen, die Frank kurz zuvor noch mit den seinen berührt hatte. Es kribbelte immer noch und zwar alles andere als unangenehm.

 

„Toni?“ Der Arzt stand am Fenster seines Arztzimmers und rief leise ihren Namen in die Dunkelheit hinaus.

 

„Ich komme.“ Während Toni durch die Hintertür das Heim wieder betrat, bereitete sie sich innerlich schon einmal auf eine äußerst unangenehme Unterredung mit dem Arzt vor. Sie musste sich ein paar Erklärungen einfallen lassen. Plausible Erklärungen. Quatsch, am besten, sie blieb einfach bei der Wahrheit. Frank hatte recht. Schließlich hatten sie sich nichts vorzuwerfen. Gar nichts!

 

42. Kapitel - Der Morgen danach

Am nächsten Morgen funktionierte Toni wie ein Roboter. Alle zu Hause anfallenden Arbeiten verrichtete sie automatisiert, während sie mit ihren Gedanken ganz woanders war.

 

Entgegen Franks Versprechen am Abend zuvor hatte er sich nicht mehr bei ihr gemeldet und inzwischen machte sie sich ernsthafte Sorgen. Nicht nur, dass sie sich der bevorstehenden Weihnachtsfeier am Nachmittag alleine nicht gewachsen fühlte; ihre noch viel größere Angst war, dass die Polizei womöglich irgendeinen Grund aus dem Hut gezaubert hatte, um Frank seine Bewährung zu streichen. Sie selber sah dafür zwar keinerlei Veranlassung, aber was wusste sie schon? Vielleicht hatte er mit dieser Aktion ja doch in irgendeiner Form seine Auflagen verletzt? Sie hoffte nur, dass er eine Möglichkeit fand, sich vor zwei Uhr mit ihr in Verbindung zu setzen, um ihr wenigstens Bescheid zu sagen, was Sache war. Um diese Zeit waren sie im Heim verabredet, um gemeinsam die letzten Vorbereitungen für die Feier zu treffen. Ab halb vier sollte es offiziell losgehen, doch es war damit zu rechnen, dass bereits ab drei Uhr die ersten Verwandten eintreffen würden. Toni war in den letzten Tagen schon mehr als nervös gewesen, aber Frank war es immer wieder gelungen, sie zu beruhigen. Diese Feier war definitiv sein Baby – selbst wenn sie laut Schwester Maria beide dafür verantwortlich zeichneten. Bei allem, was damit zu tun hatte, war er von Anfang an ihr Fels in der Brandung gewesen. Mit seiner Ruhe, seiner Zuversicht hatte er es immer wieder geschafft, sie davon zu überzeugen, dass die Feier nur ein voller Erfolg werden konnte.

 

Hoffentlich war es ihm nun auch möglich, später dabei zu sein und sie zu unterstützen. Wenn nicht, würde diese Feier in einem mittleren Fiasko enden, das war in Tonis Augen so sicher wie das Amen in der Kirche. Dann wären alle Mühen, die sie sich gegeben hatten, umsonst gewesen. Aber war das überhaupt noch wichtig? Was zerbrach sie sich hier den Kopf über diese blöde Feier? War es nicht besser, direkt zur Polizei zu gehen und mit denen zu reden? Und überhaupt, was war mit diesem Kuss gewesen? Was hatte Frank damit bezweckt? Wie sollte sie auf ihn reagieren, wenn sie sich das nächste Mal begegneten? Fragen über Fragen, die Toni fast die ganze Nacht über wach gehalten und nicht zur Ruhe hatten kommen lassen und die auch jetzt noch pausenlos in ihrem Kopf kreisten.

 

Sie stand in der Küche und bügelte. Besser gesagt, sie fuhr stereotyp mit dem Bügeleisen von links nach rechts und umgekehrt, ohne dabei wirklich zu realisieren, was sie tat. Dafür lief ihr Gehirn weiterhin auf Hochtouren. Ihre Gedanken überschlugen sich in rasanter Abfolge. Trixie. Frank. Die Weihnachtsfeier. Sorge. Hoffnung. Angst. Unsicherheit. Sie konnte sich selber kaum noch folgen und war das reinste Nervenbündel.

 

Es klopfte kurz und Mike steckte seinen Kopf durch die Tür. „Besuch für dich. Ist das in Ordnung?“

 

„Frank?“, rutschte es ihr unwillkürlich emotional heraus. Gleich darauf biss sie sich auf die Zunge. Blöde Kuh, schalt sie sich selber. So deutlich musst du es nun wirklich nicht zeigen.

 

Mike grinste vielsagend und Toni blickte erleichtert auf Franks hochgewachsene Gestalt, die in diesem Augenblick hinter ihrem Bruder auftauchte und diesem über die Schulter blickte.

 

„Hey, hast du `nen Moment Zeit für mich? Ich weiß, wir sehen uns heute Nachmittag sowieso, aber …“

 

„Klar, komm rein“, fiel Tony ihm ins Wort. „Setz dich.“

 

Frank ließ sich schwer auf einen der Küchenstühle plumpsen und bei Toni klingelten alle Alarmglocken, als sie jetzt das Bügeleisen abstellte, um ihn in Ruhe genauer betrachten zu können. Er wirkte übernächtigt. Fix und Fertig! Sein normalerweise dunkler Teint wirkte blass und dadurch fiel der leichte Bartschatten auf Kinn und Wangen umso deutlicher aus. Er sah aus, als hätte er sich schon seit Tagen nicht mehr rasiert. Müde blickte er sie aus dunkel umrandeten Augen an. „Sorry“ sagte er. „Ich weiß, ich komme sicher ungelegen, aber ich wollte dich unbedingt noch vor der großen Show heute Nachmittag sehen.“

 

„Du hast schlechte Nachrichten“, stellte Toni deprimiert fest. „Was ist passiert? Nun sag schon, wie geht es Trixie?“

 

„Hast du `nen Kaffee für mich?“

 

Toni wies mit dem Kopf auf die Isolierkanne, die neben dem Herd stand. „Bedien dich. Und dann rede endlich.“

 

Frank ging hinüber, goss sich bedächtig eine Tasse Kaffee ein und setzte sich dann wieder. Er setzte die Tasse an die Lippen und nahm einen großen Schluck. „Mann, tut das gut“, seufzte er, bevor er dann endlich auf den Punkt kam. „Schlechte Nachrichten? Nein, eigentlich hab´ ich sogar gute Nachrichten. Ich bin nur gerade völlig platt.“ Gedankenverloren starrte er aus dem Fenster und verlor prompt den Faden.

 

„Frank! Bitte!“ Tonis Stimme klang empört. „Wenn du mich weiter so auf die Folter spannst …“

 

„Schon gut, schon gut, tut mir leid. Wie gesagt, ich bin ziemlich müde.“ Frank lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf Toni. „Trixie geht es soweit gut. Den Umständen entsprechend, wie die Ärzte immer so schön sagen. Dem Doc dürfen wir gratulieren. Er hatte recht mit seinen diversen Vermutungen. Außerdem hat sie aber noch zwei angeknackste Rippen, hohes Fieber und einen Virus im Körper, dessen Namen ich glatt schon wieder vergessen habe. Na ja, was sie in ihrem Blut gefunden haben, muss ich dir ja wohl nicht erst erklären. Gott sei Dank hatte sie den Bullen schon verklickert, dass sie das Zeug nicht von mir hat, als ich dort aufkreuzte. Die waren nämlich schon vor Ort – der Doc hatte wohl nicht eiligeres zu tun, als sie direkt anzurufen.“

 

„Ich weiß“, nickte Toni geknickt. „Er beendete gerade das Gespräch, als ich in sein Büro kam. Aber er verbot mir, dich vorzuwarnen und als ich es später versuchte war dein Handy aus – ich schätze, wegen der Krankenhausregeln.“

 

„Nee, wegen leerem Akku – der hat eh `ne Macke und ich hab´ mal wieder vergessen, das Ding zu füttern“, grinste Frank schief. „Muss ich mir unbedingt abgewöhnen. Mann, ehrlich, ich schwöre, als ich dort ankam, waren die Bullen echt schon drauf und dran, mich wieder auf Eis zu legen.“

 

„Gut, dass Trixie ausgepackt hat“, seufzte Toni erleichtert. „Wenn sie den Typen, von dem sie das Zeug hat, jetzt erstmal festgesetzt haben, dann wird …“ Sie bemerkte, dass Frank die Augenbrauen hochzog und sie vielsagend schweigend anblickte. „Sie hat doch ausgepackt, oder?“

 

Frank schwieg weiterhin und zuckte lediglich mit den Achseln.

 

„Oh, Mann, warum denn nicht, zum Teufel?“

 

„Hey, immerhin hat sie ihnen glaubhaft versichert, dass ich nichts damit zu tun habe. Ist doch auch schon was. Trixie hat Angst und ich kann sie sogar verstehen. Der Typ ist gefährlich. Wenn er rauskriegt, wo sie ist, ist sie nicht mehr sicher.“

 

„Hallo??? Was redest du denn da für einen Müll?“, wetterte die Rothaarige aufgebracht. „Genau deshalb sollte man diesen Arsch ja so schnell wie möglich einlochen. Damit er ihr nichts mehr tun kann.“

 

„Toni, bitte. Du hast keine Ahnung, wozu Nick fähig ist. Ich kenne ihn. Außerdem ist er nicht alleine. Er hat immer noch `ne Menge treuer Anhänger, die alles für ihn tun würden. Alles! Er ist charismatisch und er versteht es aus dem Effeff, sein Umfeld zu beeinflussen und auf seine Seite zu ziehen. Das macht ihn noch mal gefährlicher.“

 

„Die Frage ist, wie treu die Anhänger noch sind, wenn man ihnen erstmal den Anführer weggenommen hat“, beharrte Toni stur auf ihrer Meinung, doch Frank schüttelte nur mit dem Kopf. „Okay“, resignierte sie schließlich. „Erzähl weiter.“

 

Frank überlegte kurz, ob er Toni erzählen sollte, warum Trixie zum Heim gekommen war, entschied sich aber schließlich dagegen. Er wollte sie nicht noch mehr beunruhigen. Stattdessen sagte er: „Stell´ dir vor: Die Bullen konnten Trixie anhand der offenen Vermisstenfälle ziemlich schnell identifizieren. Sie haben ihre Mutter angerufen und sie will so schnell wie möglich herkommen. So wie es aussieht hat sie sich inzwischen von dem Perversling getrennt, der ihrer Tochter damals an die Wäsche wollte. Sie ist dahintergekommen, dass er es auch bei anderen probiert hat. Außerdem hat er wohl per Internet unter Vorspiegelung falscher Tatsachen intensive Kontakte zu einer ganzen Reihe minderjähriger Mädchen verfolgt. Wie auch immer. Der Typ ist auf jeden Fall Geschichte und sie will Trixie jetzt so schnell wie möglich nach Hause holen. Trixie ist noch etwas verwirrt von der neuen Entwicklung, aber ich habe schon den Eindruck, dass sie sich darüber freut.“

 

„Das ist doch toll“, sagte Toni ehrlich erfreut.

 

„Ja, das ist es“, stimmte Frank ihr zu. „Sie hat verdammt harte Zeiten hinter sich und verdient, dass es endlich wieder aufwärts geht.“

 

„Was ist mit dir? Bekommst du noch Ärger?“

 

„Nein, ich denke nicht. Die Bul … ähm … die Polizisten hätten zwar gerne, dass wir auspacken, aber zwingen können sie uns Gott sei Dank nicht dazu.“ Frank trank aus und stand auf, bevor Toni wieder auf ihrer Meinung herumritt. „Lass es“, bat er und schnitt ihr so das Wort schon im Ansatz ab. „Es hat keinen Sinn. Sieh´ es endlich ein. Da kommen wir nicht auf einen Nenner.“ Er stand auf und trat zwei Schritte auf sie zu. „Aber … jetzt noch mal wegen gestern Abend … Der Kuss … Ich …“

 

„Nein!“ Dieses Mal unterbrach Toni Frank. „Bitte …“ Abwehrend legte sie eine Handfläche auf seinen Brustkorb und schob ihn mit sanftem Druck zurück. „… nicht jetzt.“

 

„Toni …“

 

„Später, lass uns später darüber reden, okay? Ich kann das jetzt nicht. Ich bin immer noch ziemlich durch den Wind wegen all dem, was gestern geschehen ist – und außerdem schiebe ich mächtig Panik wegen der Feier heute Nachmittag. Im Moment ist mein Kopf einfach total dicht. Verstehst du das?“ Bittend ruhten ihre grünen Augen auf seinem Gesicht.

 

„Toni … bitte, es ist mir wirklich wichtig“, bat Frank eindringlich.

 

„Ja. Eben drum. Mir auch“ gestand Toni zögernd. „Bitte, Frank. Lass uns nach der Feier reden – wenn alles vorbei ist und ich den Kopf wieder frei habe.“ Sie lächelte zaghaft. „Ich lauf´ dir schon nicht weg.“

 

„Das will ich hoffen.“ Frank rubbelte sich müde mit beiden Händen durch die Haare. Im Grunde genommen war er froh, noch einen kleinen Aufschub gewährt zu bekommen. Das Gespräch mit Toni war sicher unvermeidlich, aber auf ein paar Stunden kam es jetzt auch nicht mehr an. Und wer wusste schon, ob er in seiner derzeitigen Verfassung die richtigen Worte gefunden hätte, um Toni nach seinem Geständnis zu besänftigen? „Okay, dann werd´ ich jetzt mal gehen und mich noch etwas aufs Ohr hauen, sonst hast du heute Nachmittag nicht viel Freude an mir. Wir treffen uns dann wie besprochen um zwei, ja?“

 

„Sicher“, antwortete Toni erleichtert, dass er auf ihre Bitte einging. Einerseits wollte sie schon sehr gerne wissen, woran sie bei ihm war, aber andererseits könnte sie eine „ich-find-dich-sehr-nett-und-bin-dir-dankbar-aber-mehr-ist-da-nicht-Erklärung“ jetzt nicht ertragen. „Wir sehen uns um zwei und wir werfen uns in Schale – wie besprochen.“

 

„Genau.“ Frank hob eine Hand zum Gruß und schenkte Toni zum Abschied ein kleines Lächeln. „Bis später dann.“

 

To be continued - in Thread VII

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