Die Kindergarten-Agents, oder: "Aktion Blondi"

 

 

Die "Kindergarten-Agents" sind die Idee zweier anderer Autorinnen aus dem Navy-Forum. Sie "gehören" agentES und Mara Jade. Es gibt - für Interessierte - eine Menge spannender und lustiger Abenteuer, die die jungen Agents gemeinsam erleben. Ihr findet sie unter www.navy-cis.de im Bereich der Fanfictions.

 

Ich hatte die Ehre als Gastautorin ebenfalls ein Abenteuer für die Nachwuchs-Agenten zu erfinden, welches ich hier in 4 Teilen schildern werde. Lest und habt hoffentlich Spaß dabei :-)

 

 

 

Kurzes Intro zu den mitwirkenden Personen und ihren evtl. erwachsenen Pendants (der Reihenfolge ihres Auftretens nach sortiert):

 

Jonny = Jimmy Palmer

Milena DiNozzo = Tochter von Anthony DiNozzo und ihrem Vater sehr ähnlich

Blondi = Einfach nur ein Junge aus dem Kindergarten

Miss Cumberland = Erzieherin

Diggs = Gibbs

Tommy = Timothy McGee

Sabby = Abby Sciuto

Rocky = Ducky (Dr. Mallard)

Taljah = Ziva David (die bei den KGA´s ihre Tante ist)

 

 

 

Mittendrin und doch nicht dabei, oder: „Aktion Blondi!“

 

Teil I



Jonny hockte wie immer zusammengesunken auf der Rückbank des uralten rosafarbenen Golf-Cabrios seiner Mutter und machte sich so klein wie möglich. Bloß nicht auffallen war seine Devise wann immer er in dieses vermaledeite Auto einsteigen musste. Rosa!!! Das musste man sich mal vorstellen! Nicht genug, dass er eine dicke Brille tragen musste, die ihn sowieso schon zum Gespött der anderen Kinder im Kindergarten machte – nein, er musste auch noch aus einem rosafarbenen Auto aussteigen. Einzig Milena aus der gelben Gruppe hatte einmal – als sie zufällig einmal gleichzeitig zu spät angekommen waren, weil seine Mutter sich mal wieder verfahren hatte – gesagt, wie cool sie dieses Auto fände. Milena kam oft zu spät, genauso wie er, aber ihr machte dies offensichtlich nichts aus. Kein Wunder, sie musste ja auch nicht vor den Augen der anderen Kinder, die sich die Nasen an der Scheibe plattdrückten und sich über ihn kaputtlachten, aus SO einem Auto aussteigen. Seine Mutter liebte diese alte Karre, aber er wünschte sich nichts mehr, als dass sie endlich kaputtginge. Und dann noch dieses ständige Verfahren seiner Mutter. Man sollte doch meinen, dass sie nach so vielen Wochen endlich den Weg in den Kindergarten kennen würde. Aber nein, immer wieder „probierte“ sie eine andere Strecke aus, die vermeintlich kürzer wäre und das Ergebnis war immer das Gleiche: Sie verfuhr sich heillos und er kam zu spät.


„Jonny, sitz gerade. Wenn du so krumm da hängst, bekommst du nur eine schlechte Haltung“, nörgelte seine Mutter über die Schulter.


„Mmmh“, antwortete er stereotyp und setzte sich für einen kurzen Moment gerade hin und verdrehte die Augen, als er feststellte, dass seine Mutter durch den kurzen Moment der Unaufmerksamkeit die richtige Abzweigung zum Kindergarten verpasst hatte. Nicht schon wieder!


„Hoppla“, sagte in dem Augenblick seine Mutter und lachte kurz auf. „Ich glaube, wir sind zu weit gefahren. Na ja, macht nichts, dann kommst du eben ein paar Minuten später.“

Dir vielleicht nicht, dachte Jonny und ergab sich in sein Schicksal. Was blieb ihm auch sonst übrig?


Eine Tagesbaustelle hielt sie noch länger auf und so bremste seine Mutter schließlich erst eine gute Viertelstunde später genau vor den großen Gruppenfenstern, die hinaus auf den Spielplatz gingen. Jonny lugte vorsichtig aus dem Wagenfenster und stöhnte innerlich auf. Auch das noch! Die meisten seiner Kindergartenkollegen waren bereits draußen und tollten im Sand oder auf den Klettergerüsten herum. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Schon baute sich Blondi mit seinen Kumpanen am Zaun, der das Grundstück zur Straße abtrennte, auf. Er konnte sich denken, was das bedeutete.

 

„Gehst du allein rein, Jonny?“, bat seine Mutter. „Ich bin ein bisschen spät dran.“


Was du nicht sagst, schoss es ihm durch den Kopf, während er nach seinem Rucksack griff.


„Sieh nur, deine Freunde warten schon auf dich.“


Ja klar, sicher. Er wusste genau, was gleich passieren würde und es graute ihm davor – wie jeden Morgen. Doch es nützte ja alles nichts; vielleicht konnte er wenigstens heute der größten Peinlichkeit entgehen. Schnell löste er den Sicherheitsgurt und wollte gerade aussteigen, als seine Mutter von außen schon die Tür aufriss und er fast aus dem Wagen fiel. Mit ausgebreiteten Armen fing seine Mutter ihn auf und stellte ihn sicher auf die Füße, bevor sie ihn umarmte und ihm einen feuchten Schmatzer auf die Wange drückte.


„Das könnte dir so passen!“, lachte seine Mutter. „Immer willst du dich ohne Verabschiedung dünne machen.“


„Ach, Mama“, maulte Jonny, während er im Hintergrund schon das unterdrückte Prusten hörte und fühlte, wie sein Kopf hochrot anlief „Ich bin doch kein Baby mehr. Muss das denn wirklich sein?“


„Oh ja“, antwortete seine Mutter mit Nachdruck und stieg Gott sei Dank wieder in den Wagen. „Soviel Zeit muss sein! Miss Cumberland“, rief sie dann in Richtung der Erzieherin, die gerade damit beschäftigt war, Milena ein für allemal klarzumachen, dass das Geschirr aus der Küchenecke nichts im Sandkasten verloren hatte. „Ich habe Ihnen Jonny gebracht.“ Miss Cumberland winkte als Zeichen, dass sie verstanden hatte und wies die junge Praktikantin, die seit kurzem ein Schnupperpraktikum machte, mit einer Handbewegung an, Jonny hereinzulassen.

 

„Mach´s gut, ich wünsche dir einen schönen Tag.“ Damit brauste Jonny´s Mutter davon und ließ ihren Sohn etwas verloren, aber durchaus erleichtert darüber, dass sie endlich weg war, auf dem Bürgersteig zurück.


Schon ging es los.


„Hey, Jenny, auch schon da?“, fragte Blondi übertrieben freundlich.

„Ich heiße Jonny“, murmelte der kleine Junge und zog unwillkürlich den Kopf zwischen die Schultern.


„Kann nicht sein. In solchen Autos fahren nur Mädchen“, ätzte Blondi prompt. „Kein richtiger Junge steigt in so ein Auto ein. Was meint ihr?“, fragte er an seine Kumpel gewandt, die sofort eifrig zustimmend nickten und gleich darauf in eine Art Indianergeheul einstimmten: „Jenny! Jenny! Jenny!“, tönten sie los und fingen gleich darauf lautstark an zu lachen.


„Idioten!“, grummelte Jonny, jedoch wohlweislich so leise, dass die Truppe es nicht hören konnte. Er wusste, sonst würde sein Tag noch schlimmer werden, als sowieso schon zu befürchten stand. Er beeilte sich die paar Stufen zum Eingang hochzukommen, wo die Praktikantin bereits auf ihn wartete und huschte schnell hinein. Der Tag fing ja mal wieder gut an…


 

Teil II



Nachdem Jonny noch etwas mit seinem Schicksal gehadert hatte und sich den ganzen Vormittag über bemüht hatte, Blondi und seinen Mannen aus dem Weg zu gehen, was ihm mehr oder weniger gut gelungen war, stand er um die Mittagszeit herum etwas abseits und beobachtete das Treiben am Sandkasten. Dort war die Clique um Diggs versammelt und wie so oft redeten alle aufgeregt durcheinander, bis Diggs sich schließlich energisch Gehör verschaffte. Jonny grinste in sich hinein. Jedes der so unterschiedlichen Kinder reagierte genau so, wie er es erwartet hatte.


Milena sah man es sofort an, wenn sie beleidigt war – dann schob sich ihre Unterlippe leicht zitternd nach vorn, doch an Diggs prallte das regelmäßig ab. Der ließ sich nicht so leicht beeindrucken, was wiederum Jonny sehr beeindruckte. Diggs war einfach cool. Er war der ungekrönte König dieser Clique und doch ließ er es nur raushängen, wenn es ihm nötig erschien.


Tommy wirkte wie so oft ein wenig abwesend und griff schon wieder nach seinem selbstgebauten Papptopp Dieses Teil trug er immer mit sich herum – man sah ihn gar nicht mehr ohne. Oftmals witzelten die anderen, das er wahrscheinlich das Teil mit Sekundenkleber zusammengebastelt hatte und nun für immer mit dem Papptopp verbunden sei. Doch Tommy schien das gar nicht zu stören, er lächelte nur darüber.


Sabby, die sich richtig erschrocken hatte, als Diggs so lospolterte, und dadurch ihre Flasche mit dem unvermeidlichen Multivitaminsaft hatte in den Sand fallen lassen, bückte sich und rieb mehrmals schnell mit den Fingern am Strohhalm entlang, bevor sie ihn schließlich unverdrossen wieder in den Mund steckte und genüsslich daran sog, während sie gleichzeitig irgendetwas für ihn unverständliches vor sich hinbrabbelte.

Rocky stand auch dabei und wie immer wirkte sein Gesichtsausdruck leicht nachgiebig. Soweit Jonny wusste, war er der älteste der Gruppe um Diggs und vielleicht war es ja deshalb so. Jonny hatte schon oft mitbekommen, wie Rocky immer ruhig blieb und innerhalb der Truppe zu vermitteln versuchte. Er bewunderte ihn dafür, soviel Geduld und Verständnis zu haben. Irgendwie fühlte er sich Rocky am nächsten, denn er interessierte sich für genau die gleichen Dinge wie Jonny. Rocky würde bestimmt einmal ein glänzender Wissenschaftler werden und genau das hatte er auch vor.

 

Unwillkürlich seufzte Jonny sehnsüchtig auf. Wie gerne wäre er ein Teil dieser Clique. Jeder für sich schien etwas merkwürdig und doch machte sich niemand darüber lustig. Diggs, der oft so brummig und schlecht gelaunt wirkte – außer wenn es um die kleine Rothaarige aus der Nachbargruppe ging. Dann lief er zu Hochform auf und konnte sogar charmant sein. Tommy, den nichts außer Technik zu interessieren schien. Sabby, die nun wirklich „anders“ als alle Kinder war, die er je kennengelernt hatte, Rocky, der immer etwas altmodisch wirkte und der die Fliege, die seine Mutter ihm zu besonderen Anlässen umband, tatsächlich mit Stolz zu tragen schien. Milena, die dauernd maulte und sich mit ihrer Verfressenheit schon so oft Ärger mit Miss Cumberland eingehandelt hatte. Und natürlich Taljah…ja, Taljah war in Jonny´s Augen etwas ganz Besonderes. Niemand machte sich darüber lustig, dass Taljah Ausländerin war – noch nicht einmal Blondi, weil er genau wusste, dass die Clique – immer wenn es darauf ankam – wie Pech und Schwefel zusammenhielt.


Vor ein paar Wochen, da hatte er schon fast geglaubt, es geschafft zu haben. Rocky hatte ihn um Hilfe gebeten und er hatte das Lupenglas für ihn holen dürfen. Nur zu gerne war er damals in der Hoffnung losgeprescht, an einem der zahlreichen Abenteuer der Truppe teilhaben zu dürfen. Doch wie so oft war seine Hoffnung zerplatzt wie eine Seifenblase. Kaum hatte er das Glas abgegeben, hatte man seine Anwesenheit auch schon wieder vergessen. So war es immer: Er war zwar mittendrin, doch nie wirklich dabei!


Ein harter Rippenstoß beendete abrupt Jonny´s Gedanken. Als er von der anderen Seite auch noch einen Stoß abbekam, geriet er ins Straucheln und fiel hart nach vorn auf die Knie.


„Pass doch auf, Brillenschlange“, höhnte Blondi und bahnte sich rigoros seinen Weg an Jonny vorbei in Richtung Baumhaus, das sich die Mannen um Blondi als ihre Zentrale ausersehen hatten.


„Hey“, protestierte Jonny schwach und stützte sich mit den Händen ab. Gleich darauf musste er sich einen Schmerzensschrei verbeißen, weil ihm einer von Blondis Freunden „aus Versehen“ im Vorbeigehen auf die Hand trat und dabei auch noch: „Aus dem Weg, du Null“, sagte.


Jonny schossen die Tränen in die Augen, und er traute sich gar nicht aufzusehen, weil er nicht wollte, dass er nur weil er heulte, neuen Anlass für Spott gab. Plötzlich bemerkte er jedoch eine Bewegung vor sich und hob den Kopf leicht an. Eine kleine Hand streckte sich ihm entgegen und vorsichtig blickte er ganz auf. Vor ihm stand Taljah und hielt ihm helfend ihre Hand hin.


„Nun komm schon, steh auf“, sagte sie. „Den Triumph solltest du ihm nicht gönnen.“


Unsicher griff er nach Taljah´s Hand und ließ sich dem Mädchen hochziehen.

„Danke“, murmelte er mit hochrotem Kopf und wollte schon gehen, als die kleine Israelin ihn zurückhielt.


„Warte, ich habe dich gesucht“, sagte sie mit fester Stimme und Jonny konnte es kaum fassen.


„Mich? Wirklich? Warum?“


„Hier, nimm…“ Sie reichte ihm ein nicht mehr ganz sauberes Papiertaschentuch. „Dein Knie blutet.“


„Ist nicht so schlimm“, wehrte Jonny ab, obwohl die Wunde ganz schön brannte. Er wusste nicht, was er von der Aktion halten sollte. Schon lange schwärmte er heimlich für Taljah, doch sie hatte ihm ziemlich deutlich klargemacht, dass er ihr auf die Nerven ging und so hatte er sich in letzter Zeit sehr zurückgehalten, denn auf der anderen Seite machte das Mädchen ihm auch manchmal Angst. Wenn sie so energisch mit den Büroklammern spielte und sie in alle Richtungen verbog, während sie einen dabei mit diesen wunderschönen braunen Augen fest fixierte, wurde ihm irgendwie immer ganz komisch zumute. „Was willst du denn von mir?“, entfuhr es ihm misstrauisch.


„Oh, gut“, antwortete sein Gegenüber befriedigt. „Du bist also doch neugierig. Ich wusste doch, dass mehr in dir steckt, als man auf den ersten Blick sieht.“

 

„Hä?“

Taljah musste lachen, als sie Jonny´s verwirrten Gesichtsausdruck bemerkte. „Wie sieht´s aus?“, fragte sie dann. „Hast du Lust Blondi eins auszuwischen? Wir…“ Sie machte eine schnelle Kopfbewegung zu den anderen hin. „…wollten fragen, ob du uns dabei hilfst? Der Idiot braucht dringend eine Lektion, findest du nicht?“

 

 



Teil III


Jonny konnte sein Glück kaum fassen. Ihn, ausgerechnet ihn, fragten sie um Hilfe? „Was soll ich denn tun?“, erkundigte er sich trotz allem vorsichtig. „Weißt du, ich bin kein Held, so wie Diggs. Und ich bin echt nicht scharf auf noch mehr Ärger.“


„Keine Sorge.“ Die kleine Israelin lächelte geheimnisvoll. „Komm mit rüber. Wir werden es dir erklären…“


Zögernd folgte Jonny dem Mädchen. Er war misstrauisch und wenn es sich nicht um Taljah gehandelt hätte, wäre er gar nicht mitgegangen. Aber so…


„Mütter können echt peinlich sein, oder?“, sagte Tali unterwegs beiläufig und Jonny warf ihr einen schnellen Seitenblick zu.


„Deine doch nicht“, antwortete er. „Hab´ ich zumindest noch nie mitbekommen.“

 

„Wenn du wüsstest“, stöhnte die kleine Israelin und warf ihre langen Haare mit Schwung nach hinten. „Ich könnte dir da Dinge erzählen…“


„Echt?“

„Ja, echt“, wiederholte Taljah mit Nachdruck. „Aber egal, das ist jetzt nicht wichtig. Blondi ist echt mies. Was der mit dir macht, grenzt schon an Motting.“


Im ersten Augenblick wusste Jonny nicht, was das Mädchen meinte. Doch dann dämmerte es ihm. Mobbing! Das Thema kannte er zur Genüge. Seine Mutter hatte sich deswegen einen neuen Job gesucht und sie hatten umziehen müssen. Sein erster Impuls war es, Tali zu verbessern, doch dann dachte er kurz an die Büroklammern, die sie angeblich immer in der Hosentasche bei sich trug und so antwortete er lediglich: „Meine Mutter sagt, Kinder können eben grausam sein. Ich soll mir nichts daraus machen.“


„Pfffhh“, war die verächtliche Antwort. „Die Großen haben leicht reden. Die stecken ja nicht in unserer Haut.“


Inzwischen waren die beiden beim Sandkasten angekommen, wo sie schon ungeduldig erwartet wurden.


„Uuiii, endlich. Das hat ja ewig gedauert“, quietschte Sabby und hüpfte vor Aufregung auf und ab, was ihre Rattenschwänze in alle Richtungen fliegen ließ. Außerdem schwappte bei jedem Hüpfer eine kleine Salve Multivitaminsaft oben aus dem Strohhalm ihrer Flasche und landete auf Tommy´s Papptopp, der Mühe hatte, die selbstgebastelte Kostbarkeit aus Pappmaché vor seiner Freundin in Sicherheit zu bringen.


„Mensch, Sabby, pass doch auf!“, rief er unwirsch aus.


„Achtommyichfreumichdochsodaswirdbestimmttotallustignachherhabichbestimmtwiederbauchschmerzenvorlauterlachenund…“


„Sabby, halt die Luft an“, unterbrach Diggs die Kleine kurz und schon hielt die Freundin den Mund.

 

Jonny warf dem schmalen Jungen einen bewundernden Blick zu. Er machte nie viel Aufheben und trotzdem hörten alle auf ihn. Wie machte der das bloß? Das würde er auch zu gerne können.


„Also los, alle in den Kreis setzen und zuhören. Milena, du erklärst Jonny, wie wir vorgehen.“


Milena warf sich vor lauter Stolz in die noch nicht vorhandene Brust und sagte mit wichtiger Stimme: „Jonny, du bist heute unser Joker, alles klar?“


„Ähhhm, nein, nicht ganz“, gestand Jonny.


„Oh Mann.“ Milena klang genervt. „Unser Joker. Das bedeutet, dass du etwas ganz Besonderes bist.“

 

Na, das klang doch schon mal gut ... aber so ganz wusste Jonny trotzdem immer noch nicht, worauf Mia hinauswollte. “Ja, gut. Und?“


„Der Joker…“, fuhr Milena fort. „…ist eine gaaaaanz, ganz wichtige Figur, weil der Gegenspieler nicht mit ihm rechnet.“ So in der Art war das. Das hatte sie zuletzt mitbekommen, als ihr Dad mit Ziva Karten gespielt hatte. „Das verstehst du doch, oder?“, vergewisserte sie sich trotzdem sicherheitshalber. Schließlich wusste sie nicht, ob Jonny´s Mutter auch mit irgendwem Karten spielte.


„Ja. Ja, ich verstehe“, antwortete Jonny unsicher, aber irgendwie klang seine Stimme ganz und gar nicht so.

 

Rocky fand, es sei an der Zeit, dass er sich einmischte. „Hör zu“, hob er an. „Das ist so. Beim Kartenspiel ist es so, dass der Spieler, der einen Joker hat in der glücklichen Position ist, sich etwas wünschen zu dürfen und aus diesem Grund…“


Diggs verdrehte die Augen: „Rocky“, sagte er mahnend. „Wir müssen auf den Punkt kommen, sonst ist es gleich schon wieder Zeit zum Mittagsschlaf. Du weißt, Miss Cumberland ist da sehr streng.“


Rocky nickte verständnisvoll. „Schon klar, Diggs. Mia, mach du weiter.“


„Hätte ich ja, wenn du mich nicht unterbrochen hättest“, schnappte die Kleine, aber sie beruhigte sich schnell wieder. Schließlich hatte sie eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Sie musste dem Greenhorn klarmachen, was er zu tun hatte. „Um es kurz zu machen…“, fuhr sie fort. „Alles was du als unser Joker tun musst, ist Blondi zu rufen. Wie du siehst: Es ist ganz einfach“, schloss sie tief befriedigt.


„Ihn … rufen?“ Jonny´s Gesicht war ein einziges Fragezeichen.


„JA!“ Langsam wurde Mia ungeduldig. Der Neue war ja wirklich noch schwieriger wie Taljah. „Ihn rufen – mit seinem Namen.“


Mit seinem Namen? Das wurde ja immer bekloppter.


„Genau!“ Milena machte eine bedeutungsschwangere Pause. „Mit seinem richtigen Namen“, ließ sie dann die Katze aus dem Sack. „Und zwar, wenn möglichst viele Kinder dabei sind.“


„Er wird nicht auf mich hören“, wandte Jonny ein. „Er hasst mich.“


„Genau deshalb wird er ja auf dich hören“, grinste Milena breit. „Er wird hoffen, sich wieder mit dir anlegen zu können.“ Das Jonny bei ihren Worten zusammenzuckte, schien sie nicht zu bemerken. „Auf uns reagiert er nicht mehr, weil er zuletzt doch solchen Ärger bekommen hat, dass er fast rausgeflogen wäre.“


„Ja, okay, das verstehe ich. Aber…“


„Warts ab.“ Mia tat sehr geheimnisvoll und blickte sich erst in alle Richtungen um, bevor sie sich zu Jonny hinüberbeugte und ihm ins Ohr flüsterte. „Er heißt nämlich …“

 

Jonny riss überrascht die Augen hinter den dicken Brillengläsern auf. „Ist nicht wahr“, sagte er überwältigt.


„Oh doch.“ Taljah nickte bekräftigend und auch sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „ Wir haben zufällig ein Telefonat zwischen Miss Cumberland und Blondis Mutter belauscht. Das konnten wir uns doch nicht entgehen lassen, oder? Und nachdem, was er heute mit dir abgezogen hat, ist das DIE Gelegenheit zuzuschlagen.“


Als Jonny mit einem Mal klar wurde, was das für Folgen für ihn haben könnte, riss er angstvoll die Augen auf. „Aber wenn er mich erwischt, wird er mich einen Kopf kürzer machen. Und er wird mich erwischen! Er ist schneller als ich. Nein, tut mir leid, Leute, aber…“


Auch um Diggs Lippen spielte ein kleines Lächeln, was wirklich selten war. Er konnte und wollte nicht zulassen, dass der kleine Angsthase jetzt einen Rückzieher machte. Sein Team brauchte ihn und die anderen Kinder in der KiTa auch. „Mach dir keinen Kopf“, sagte er cool. „Wir werden dich nicht aus den Augen lassen. Blondi wird sich nicht trauen, auf dich loszugehen. Nicht wahr, Leute?“ Alle seine Freunde unisono nickten, fügte er hinzu: „Siehst du. Was ist nun? Bist du dabei?“


Wow! Hatte er sich nicht genau das immer gewünscht? Und jetzt fiel ihm die große Chance quasi in den Schoß…sollte er sie wirklich sinnlos verstreichen lassen? Jonny blickte immer noch leise zweifelnd in die Runde und schaute ausnahmslos in gespannte Gesichter und auf heftig nickende Köpfe. Er fühlte sich plötzlich leicht und unbeschwert – alle Angst war verschwunden. „Gut“, sagte er. „Ich mach´s.“


Sabby fiel ihm postwendend um den Hals und erdrückte ihn fast. „Suuuuupi. Das wird ein Spaß – wirst sehen.“


Diggs hingegen sagte trocken: „Sabby. Wenn du ihn jetzt umbringst, wird das nichts. Okay, Leute. Aktion Blondi läuft ab jetzt. Abklatschen“, meinte er abschließend und hielt jedem seine offene Handfläche hin. Das hatte er zuletzt in einem Film gesehen und es echt cool gefunden. Die anderen kannten den Film offenbar nicht, denn sie kamen seiner Aufforderung noch etwas unbeholfen nach. Nun ja, das würde schon noch werden, tröstete er sich gedanklich. Jetzt war anderes wichtiger. Ein Blick zum Baumhaus zeigte ihm, dass die Gelegenheit gerade günstig war, denn Blondi und seine Kumpane schickten sich gerade an, alle anderen Kinder, die dort spielten, wegzuscheuchen. Schnell stand er auf. „JETZT!“


 

Teil IV


Noch einmal spürte Jonny kurz, wie ihm das Herz in die Hose rutschte, doch dann ging ein Ruck durch seinen schmalen Körper und er folgte der kleinen Truppe in Richtung Baumhaus. Dort angekommen blieben Diggs und die anderen etwas zurück, während Jonny mutig vortrat. Er suchte kurz den Blickkontakt mit Diggs, der ihm noch einmal aufmunternd zunickte, als Blondi auf halber Höhe auf der Leiter stand.

 

„Gabriele?“, rief Jonny laut und wunderte sich, wie leicht ihm das fiel.


Auf der Leiter hielt Blondi ruckartig inne und drehte sich um. „WAS? Wie hat du mich genannt?“


„Gabriele!“, wiederholte Jonny laut und deutlich. „So heißt du doch, oder? Komisch, dabei dachte ich immer, das ist ein Mädchenname!“


„Woher zum Teufel weißt du kleine Kröte…“


Erstes unterdrücktes Gekichere von den anderen Kindern wurde laut. Selbst die Freunde von Blondi hatten plötzlich ein breites Grinsen im Gesicht. „Echt“, fragte er Eine. „Heißt du wirklich so? Ich dachte, immer du heißt Gabriel!“


Ein tiefes Grollen kam aus Blondis Kehle und er machte sich daran, die Leiter herunterzuklettern. „Boah, warte, wenn ich dich in die Finger kriege…“ Ein Moment der Unachtsamkeit und schon war es passiert. Er rutschte mit den Füßen von der Stufe und konnte sich nicht mehr halten. Höchst unelegant schrammte er nach unten und landete auf dem Bauch mitten in der ausgetretenen Kuhle vor der Leiter, die vom gestrigen Regen noch voller Matsch war. Das Lachen im Umkreis wurde lauter. Mühsam rappelte sich der Junge auf und schaute böse in die Runde. Alle standen im Halbkreis um ihn herum und ausnahmslos alle lachten ihn aus.


Doch es sollte noch schlimmer kommen. Miss Cumberland stürzte aufgelöst auf ihn zu und packte ihn bei den Schultern. „Du liebe Güte! Gabriele! Was machst du denn für Sachen – du bist doch sonst so geschickt. Hast du dir was getan? Oh, mein Gott, sieh´ doch nur. Du blutest.“

 

Eine neue Lachsalve folgte ihren Worten und selbst der gestrenge Blick, den die Erzieherin in die Runde warf, zeigte keinerlei Wirkung.


Mit einer schnellen Bewegung drehte er sich aus der Umklammerung der verhassten Erwachsenen. „Na und“, fauchte er wütend und spuckte dabei unabsichtlich einen Frontzahn in die Pfütze. „Hat vielleicht einer was dagegen? Es ist mein Name und es ist ein italienischer Jungenname. Mein Vater ist Italiener. Gott, ihr seid ja so blöd! Doof seid ihr!“


Die nächste Lachsalve. Selbst seine besten Freunde hielten sich den Bauch und kriegten sich gar nicht mehr ein. Zu allem Überfluss trat nun auch noch diese Ätzgöre von Milena auf ihn zu und fragte ihn mit zuckersüßer Stimme:


„Hey, Gaby. Soll ich dir vielleicht helfen, nach deinem Zahn zu suchen? Dann kannst du ihn heute Abend unters Kopfkissen legen und vielleicht tauscht die Zahnfee ihn ja gegen einen neuen Namen für dich ein.“


Das brüllende Lachen der Kinder erreichte Orkanstärke.


„Schluss jetzt, Kinder“, rief Miss Cumberland laut. „Das ist nicht lustig. Gabriele ist immerhin verletzt!“ Ihr Appell verhallte wirkungslos. Entnervt packte sie Blondi bei der Hand und zerrte den sich heftig wehrenden Jungen mit sich. „Los, du kommst mit. Du wirst jetzt erst einmal verarztet.“


***********

Wenige Minuten später hatte sich die Lage etwas beruhigt. Blondis Kumpel hatten sich recht kleinlaut in eine ruhige Ecke des Spielplatzes verkrümelt und auch die anderen Kinder trollten sich nach und nach. Nur Diggs und sein Team standen immer noch am Fuße des Baumhauses.


„Na, das war doch mal ein voller Erfolg würde ich meinen“, resümierte Milena zufrieden.

 

„Ja, das hast du wirklich gut gemacht, Jonny“, meinte auch Tommy.


„Finde ich auch“, nickte Abby und saugte fest an ihrem Strohhalm. „Mann, ich wusste es doch. Jetzt hab´ ich Bauchweh.“


„Zuviel Multivitaminsaft“, sagte Diggs trocken. „Sag ich doch.“ Dann hieb er Jonny mit der Hand auf den Rücken und nickte ihm anerkennend zu. „Gut gemacht.“ Mehr sagte er nicht, doch Jonny wusste sehr wohl, dass diese zwei Worte einem Ritterschlag gleichkamen und er war wahnsinnig stolz auf sich.


„Sag mal“, fragte da Rocky. „Magst du mir nicht hin und wieder bei meinen Analysen helfen? Die Truppe ist immer so ungeduldig und alle wollen schnelle Ergebnisse. Da könnte ich eine helfende Hand gut gebrauchen.“

 

 „Gerne“, rief Jonny mit glänzenden Augen. Er konnte es kaum fassen. Er hatte es tatsächlich geschafft. Die anderen wollten ihn. Er gehörte dazu!


„Und wisst ihr, was das beste an der Aktion war?“, fragte Taljah in die Runde. Als alle sie nur fragend anblickten, zeigte sie mit der Hand nach oben. „Jetzt haben wir endlich ein richtiges Hauptquartier. Na, was meint ihr?“


Begeistertes Indianergeheul zeigte ihr, dass der Rest der Truppe mit Ihrer Idee einverstanden war.



E N D E

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